Arbeiten nach dem Biorhythmus – egal ob Lerche oder Eule!
WAS BEDEUTET ARBEITEN NACH DEM BIORHYTHMUS?
Um seinen Arbeitsalltag im Bürorhythmus zu gestalten, kommt es vor allem auf Dich als Arbeitnehmer an. Was damit gemeint ist, erklärt Dir Dr. Martin Braun. Er ist Experte für menschliche Arbeit und widmet sich am Fraunhofer Institut in Stuttgart unter anderem der chronobiologischen Arbeitsforschung. Das heißt: Er gibt Auskunft über die Gestaltung eines Arbeitstages im Biorhythmus. Für ihn ist ganz klar, dass „die Diskussion über eine chronobiologische Arbeitsgestaltung zunächst für die individuellen menschlichen Leistungsvoraussetzungen sensibilisieren soll“. Im Zuge dessen könne dann laut Dr. Braun „jeder erleben, dass die Leistung eines jeden Menschen mehr oder weniger regelmäßigen Schwankungen unterliegt, die es sinnvoll zu berücksichtigen gilt“. Aber was bedeutet das für die Integration Deines Biorhythmus in Deinen Alltag jetzt konkret?
Für viele Arbeitnehmer gehört eine ausgeglichene Work-Life-Balance zu den obersten Zielen und Wünschen im Job. Vermutlich auch für Dich. Doch viel Freizeit und genug Zeit für Freunde und Familie allein reicht nicht aus, um effektiv, produktiv sowie weitestgehend stressfrei zu arbeiten und zu leben. Denn: Der Mensch tickt nach seiner inneren Uhr und sobald diese missachtet wird, empfindet der Körper Stress und Unausgeglichenheit. Gestaltest Du Deinen Arbeitsalltag nach Deinem Biorhythmus, also „chronobiologisch“, kannst Du ein (Arbeits-)Leben führen, das Deiner inneren Uhr entspricht.
Wichtig dabei ist es, zu versuchen, die Bedürfnisse Deiner inneren Uhr in Deinen Alltag zu integrieren. Dr. Braun beispielweise versucht selbst auch seinen Tagesablauf nach chronobiologischen Grundsätzen zu gestalten: „Derzeit lasse ich mich vom sommerlichen Sonnenlicht wecken.“ Wird die innere Uhr langfristig missachtet, kann das zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen, wie beispielsweise zur sogenannten „Hetzkrankheit“ (engl. „Hurry Sickness“) oder zu Schlafstörungen führen.
GRUNDPRINZIP DES BIORHYTHMUS
Das Grundprinzip des Arbeitens nach dem Biorhythmus ist eigentlich ganz einfach: den Alltag gestalten, wie es die Natur vorgesehen hat. Da der menschliche Biorhythmus in etwa immer gleich abläuft, kannst Du für Dich entscheiden, was Dein Körper braucht und was Dir guttut. Also einmal tief durchatmen, versuchen zu entschleunigen und in Dich hinein hören. Das hilft Dir, zu Dir zu finden und herauszubekommen, was Deinem Körper guttut. Da es nach Dr. Braun „bei der Chronobiologie ja gerade darum geht, eine Sensibilität für das individuelle Wechselspiel der Phasen von Aktivität und Regeneration zu entwickeln und das (Leistungs-)verhalten sowohl bei der Arbeit wie in der Freizeit darauf optimal und gewissenhaft abzustimmen“, lohnt es sich durchaus, sich persönlich einmal damit auseinanderzusetzen und einen Selbstversuch zu starten. Dabei kannst Du für Dich nämlich herausfinden, wann Du leistungsfähig bist und wann Du Deinem Körper eine Ruhephase gönnen solltest.
Da wir trotz unterschiedlichem Biorhythmus doch alle irgendwie gleich funktionieren, kann Dir die Leistungskurve des Fraunhofer Instituts vielleicht dabei helfen, Deinen Biorhythmus besser zu verstehen. Sie zeigt Dir exemplarisch, in welche Leistungsbereiche der Tag eines Menschen gegliedert ist.
BIORHYTHMUS UND ARBEIT: LEISTUNG IM 90-MINUTEN-TAKT?
Unser menschliches Leistungsverhalten ist in 90-Minuten-Blöcke gegliedert. Während dieser Zeit aktiviert der Basic Rest Activity Circle (BRAC) den Organismus für 70 Minuten, in denen Du absolut leistungsfähig bist.
Danach solltest Du Deinem Gehirn aber eine kleine Regenerationsphase gönnen. Denn eine regelmäßige Entspannung des Gehirns führt zu einer höheren Produktivität. Hierbei musst Du ein bisschen auf Dich achten und selbst herausfinden, wie viele Pausen Du brauchst.
Um Deinen eigenen Biorhythmus zu ermitteln und besser zu verstehen, kannst Du beispielsweise zwei Wochen lang Deinen Tagesablauf dokumentieren und Dir Deine leistungsstarken und leistungsschwachen Zeiträume notieren. Danach entscheidest Du, wann es sinnvoll ist, Regenerationspausen zu Gunsten Deines Biorhythmus einzubauen.
Tipp:
Fühlst Du Dich im Job ein bisschen überfordert, aber eigentlich geht’s Dir ganz gut? Dann kannst Du in unserem Artikel zu gesunde Überforderung und Glück am Arbeitsplatz nachlesen, wie Du eine positive Überforderung von einer chronischen unterscheiden kannst. Die Ruhephasen können Dir also auch dabei helfen, eine Überforderung frühzeitig zu erkennen und ihr entgegenzuwirken.
BIORHYTHMUS-TYPEN: EULE ODER LERCHE?
Laut Forschung gibt es hinsichtlich Schlaf beziehungsweise Biorhythmus zwei Extreme: die „Lerche“ und die „Eule“. Welcher Typ Du bist, wird unter anderem durch die Gene bestimmt. Die beiden Biorhythmus-Typen liegen aber nicht so weit auseinander, wie Du vielleicht denkst, denn „wir reden von einer Phasenverschiebung von einer Stunde“, erklärt Dr. Braun. Diese Stunde Verschiebung kann ein Arbeitgeber beispielsweise in Form eines Gleitzeitangebots für seine Arbeitnehmer ausgleichen.
Eklatante Vorteile für den ein oder anderen Typ gibt es laut unserem Experten aber nicht:„Das Wechselspiel von Arbeitsanforderungen und individuellen Leistungsvoraussetzungen ist immer individuell zu betrachten; grundsätzliche Vorteile lassen sich daraus nicht ableiten.“
DIE LERCHE: DEIN BIORHYTHMUS MACHT DICH MORGENS WACHER
Schon bei Tagesanbruch fühlst Du Dich fit und kannst konzentriert den Tag beginnen? Dann bist Du höchstwahrscheinlich eine Lerche. Lerchen sind im Volksmund als Frühaufsteher bekannt: Sie starten früh in den Tag und werden abends schneller müde.
Für Dich bietet sich ein Job mit der Möglichkeit eines frühen Arbeitsbeginns an. So kannst Du Deine Freizeit genießen, bevor Du Dir am Abend Deinen Erholungsschlaf holst.
Der ultimative Lerchen-Vorteil laut Dr. Braun: Du hast im Berufsverkehr mehr Glück als die Eulen – Du umgehst ihn einfach.
DIE EULE: NACHTAKTIV DANK DEINEM BIORHYTHMUS
Bist Du eine Eule, dann bist Du bis spät in die Nacht aktiv und leistungsfähig und frühes Aufstehen ist für Dich eher anstrengend. Hast Du als Eule dennoch einen Beruf, der frühes Aufstehen unausweichlich macht, kannst Du Dir mit natürlichen Wachmachern etwas behelfen. Das ist aber nicht optimal: Dein Körper möchte nämlich lieber nach seinem Biorhythmus leben. Daher warnen Wissenschaftler bereits vor einer Überlistung des Systems, die auf Dauer zu einer Überlastung führen kann. Trotzdem machen sich nach der Meinung unseres Experten „viele junge Menschen, die sich im Arbeitsleben orientieren, allerdings wenig Gedanken über die Belange der Chronobiologie.“
Würden wir die wissenschaftlichen Ergebnisse und die Expertenmeinung direkt umsetzen wollen, würde es also durchaus Sinn machen, seinen Beruf nach seinem Biorhythmus auszuwählen – oder nicht? Dr. Braun sieht den Biorhythmus bei der Berufswahl eher als ein Ausschlusskriterium: „Wer nachts gar nicht fit ist, wird vermutlich einen Job als Krankenschwester im Schichtdienst meiden.“ Zudem gibt er zu bedenken, dass „Nachtschichtarbeit mit zunehmendem Alter schwerer fällt, was die Personalverantwortlichen sehr schmerzhaft bemerken.“
BIORHYTHMUS-TABELLE: BESTIMME DEINEN TAGESABLAUF!
Mit der Biorhythmus-Tabelle des Fraunhofer Instituts kannst Du Deinen Tagesablauf einfacher planen:
Wichtig bei der Betrachtung der Biorhythmus-Tabelle ist, dass sie exemplarisch ist und als Anhaltspunkt genutzt werden sollte. Zudem solltest Du Dir nach Dr. Braun bewusst darüber sein, dass „sie einen idealtypischen Überblick vermittelt. Es geht hier weniger um dezidierte Zeitangaben, sondern um ein Empfinden für eine rhythmische Abfolge von Aktivitäts- und Regenerationsphasen.“ Denke zum Beispiel mal „an Schichtarbeiter: Da sieht der Zeitablauf wiederum ganz anders aus.“
Diesen Ablauf kannst Du also als Orientierung nutzen, solltest ihn aber nach Gefühl auf Deinen ganz persönlichen Biorhythmus und auch Deinen Beruf abstimmen. Schichtarbeiter fallen automatisch in einen ganz anderen Rhythmus als beispielsweise Büroangestellte. Wichtig sind grundsätzlich der rhythmische Ablauf und das Einbinden von Regenerationsphasen.
BIORHYTHMUS IN DEN ALLTAG INTEGRIEREN – TIPPS & TRICKS
Forscher empfehlen für einen normalen Büroalltag, sich zu Beginn der Arbeitszeit einen Überblick über die anfallenden Aufgaben zu verschaffen. Daraus kann beispielsweise auch eine To-Do-Liste für den Tag entstehen. Da die Konzentrationsfähigkeit gegen 11 Uhr mittags am höchsten ist, sollten in dieser Zeit geistig anspruchsvolle Aufgaben erledigt werden, bevor zwischen 12 und 13 Uhr die Leistungsfähigkeit wieder sinkt. Das kann konkret bedeuten, dass Du Dir nach Deinem Biorhythmus wichtige und zeitkritische Aufgaben oder Arbeitsaufträge, die eine sehr hohe Konzentration erfordern, in diesen Zeitraum legen kannst.
VOLLE KONZENTRATION
Um effektives Arbeiten zu fördern, sollten während eines 90-Minuten-Blocks kleine Unterbrechungen vermieden werden. So wird Deine Konzentration nicht gestört. Falls Du um 12 Uhr noch keine Mittagspause machen willst, bietet sich diese Zeit gut an, um Telefonate und Gespräche zu führen. Gegen 15 Uhr beginnt im menschlichen Biorhythmus das zweite Leistungshoch des Tages: nun gehen Dir anspruchsvolle Tätigkeiten wieder leichter von der Hand, da Deine manuelle Geschicklichkeit hoch und das Langzeitgedächtnis besonders aufnahmefähig ist.
REGELMÄSSIGE ENTSPANNUNG IST WICHTIG
Achte zu Gunsten Deines Biorhythmus darauf, dass Dein Mittagessen nicht zu schwer ausfällt und Du regelmäßige Entspannungsphasen einbaust. Um sich zu entspannen, ist alles erlaubt, was nicht anstrengend ist und Dir dabei hilft kurz abzuschalten. Entspannen bedeutet also „nicht gleich einen Mittagsschlaf, sondern kann auch ein gutes Gespräch mit einem Kollegen in der Cafeteria sein.“ Dr Braun profitiert sogar ganz bewusst von seinen Ruhephasen: „Oft gehen mir gute Ideen durch den Kopf, die ich anschließend umsetze.“
Allgemein empfiehlt es sich, seinen Arbeitsalltag abwechslungsreich zu gestalten. Das beugt Langeweile vor und Du kannst Deinen Tag selbst in fordernde und weniger fordernde Arbeiten einteilen. Die Gestaltung des Arbeitstages variiert von Lerche zu Eule um etwa eine Stunde.
Je nachdem, welcher Typ Du bist, kannst Du Deinen Arbeitsalltag innerhalb des in der Biorhythmus-Tabelle beschriebenen Rahmens gestalten. Außerdem ist es wichtig, dass Du das Wochenende wirklich zur Erholung nutzt! Gönn Dir und Deinem Kopf genügend Schlaf. Ein erwachsender Mensch benötigt ungefähr sieben bis acht Stunden Schlaf pro Nacht. Dr. Braun achtet dabei „auf regelmäßige, nicht allzu lange Schlafenszeiten, um die mentale Leistungsfähigkeit zu erhalten.“
Natürlich lässt sich die Gestaltung des Arbeitsalltages nach Deinem Biorhythmus nicht immer so einfach umsetzen. Allein „bei zeitlich flexibler Projektarbeit, insbesondere wenn diese mit langen Dienstreisen verbunden ist“, stößt unser Experte wie auch wir auf unsere Grenze des Machbaren. Daher sei Dir auch darüber bewusst, dass eine Arbeitsgestaltung im Biorhythmus nicht in jeder Situation umsetzbar ist und das ist auch okay so. Dennoch ist es ratsam, sich bewusst zu werden, wie seine eigene innere Uhr funktioniert und wenigstens zu versuchen, den Tag weitestgehend danach zu planen.
ARBEITEN IM BIORHYTHMUS: WAS DEIN ARBEITGEBER TUN KANN
Jetzt weißt Du schon mal, was Du tun kannst, um Deinen Biorhythmus herauszufinden und wie Du Deinen Alltag danach gestalten könntest. Doch wie kann und soll Dir Dein Arbeitgeber hier entgegenkommen? Der Experte Dr. Braun schließt aus seinen Forschungen, dass sich die Betriebe ungern einmischen und „der Lebenswandel, zu dem auch der Powernap gehört, eine private Angelegenheit ist“.
Keine Chance also, den Arbeitgeber von den Vorteilen des Arbeitens im Biorhythmus zu überzeugen? Doch! Für sein Forschungsprojekt stieß Dr. Braun auf die niedersächsische Stadt Vechta, die mit gutem Beispiel voran geht: Sie bietet ihren Mitarbeitern nach der gesetzlich geregelten Mittagspause zusätzlich 20 Minuten Zeit, um bei Bedarf Powernaps zu machen. Dass das nicht in allen Betrieben ermöglicht wird, liegt auf der Hand, dennoch ist Dr. Braun überzeugt, dass „sich in jedem Betrieb Möglichkeiten finden, um den Tagesablauf zeitsensibler zu gestalten“. Dabei kommt es aber wie so oft auch auf Dich als Arbeitnehmer an.
Denn: Die Anpassung Deiner Arbeitszeit auf Deinen Biorhythmus bietet Dir und Deinem Arbeitgeber effektive Vorteile. Hast Du noch kein Gleitzeit-Modell bei der Arbeit? Dann kannst Du das ja vielleicht beim nächsten Gespräch mit Deinem Vorgesetzten ansprechen.
4-TAGE-WOCHE ALS POSITIVES MODELL FÜR ARBEITEN NACH DEM BIORHYTHMUS?
Überlegungen, ob eventuell eine 4-Tage-Woche oder ein 6-Stunden-Tag dem Biorhythmus entgegenkämen, werden immer wieder diskutiert. Ob dies sinnvoll ist oder nicht, hängt laut der Expertenmeinung von Dr. Braun „maßgeblich davon ab, was Sie in der restlichen Tages- oder Wochenzeit machen. Es gibt durchaus 4-tägige-Schichtmodelle. Wenn die Leute dort in der restlichen Zeit einen Nebenjob in der Reifenwerkstatt annehmen, dann ist allerdings die Erholungswirkung begrenzt.“ Daher sollte auch bei den Überlegungen zu kürzeren Arbeitszeiten bedacht werden, dass Arbeitnehmer gegebenenfalls neben dem Hauptjob noch diverse Nebenjobs annehmen könnten. Was zu keinerlei Verbesserung für deren Biorhythmus führen würde.
HÖR AUF DICH – DEIN BIORHYTHMUS WEISS, WAS GUT IST
Durch die kontinuierliche Abnahme von industriellen Arbeitsplätzen und die Zunahme von flexiblen Zeitmodellen wie Gleitzeit ist es Dir als Arbeitnehmer durchaus möglich, Deinen Tag chronobiologisch zu gestalten. Um stressfrei zu arbeiten, solltest Du also unbedingt auf Deinen Körper und seine Signale hören. Probiere das Arbeiten nach Deinem Biorhythmus doch einfach mal aus!
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