Wir sind Chef! Wie Holokratie im Unternehmen funktioniert
Holokratie: Das Wichtigste zum Organisationsmodell in Kürze
Was versteht man unter Holokratie?
Es handelt sich um ein Organisationsmodell für Unternehmen, durch welches Hierarchien reduziert und alle Mitarbeiter einer Organisation in die Entscheidungsfindung integriert werden. Holokratie verteilt die „Macht“ mittels sich selbst organisierender Einheiten auf das gesamte Unternehmen.
Wie funktioniert Holokratie?
In einer Holokratie nehmen die Mitarbeiter verschiedene Rollen ein und sind in einzelnen Kreisen organisiert, in denen die Zuständigkeiten klar verteilt sind. In einem holokratischen System wechselt ein Mitarbeiter öfters seine Rollen – und damit auch seinen Arbeitsbereich – als in einem hierarchischen Modell. Dadurch bleibt das Unternehmen dynamisch und kann flexibel auf Änderungen der Umwelt reagieren.
Was sind die Vorteile von Holokratie?
Die Vorteile der Holokratie liegen in einer höheren Mitarbeitermotivation, flexiblen Entscheidungsmöglichkeiten, gesteigerter Innovationskraft und höherer Effizienz durch den Wegfall von Hierarchien im Unternehmen.
Für welche Unternehmen eignet sich Holokratie?
Die Prinzipien der Holokratie lassen sich in kleinen und mittelständischen Organisationen, die schnell auf Marktveränderungen reagieren müssen, leichter realisieren als in Großunternehmen mit starren Strukturen. In Letzteren fehlt es oft auch am nötigen Mindset, weshalb hier Holokratie anfangs in kleineren Abteilungen getestet werden sollte.
Definition: Was steckt hinter dem Begriff Holokratie?
Was ist Holokratie?
Holokratie (von Griechisch „holos“ = vollständig und „kratie“ = Herrschaft) ist ein modernes Organisationsmodell, das im Jahr 2007 von dem amerikanischen Software-Unternehmer Brian J. Robertson erfunden wurde. Für sein Unternehmen experimentierte er mit verschiedenen neuen, demokratischen Organisationsformen und griff dabei auf seine Erfahrung mit agilen Unternehmenssystemen zurück.
Während die meisten Unternehmen hierarchisch aufgebaut sind, das heißt Anweisungen und Ziele werden „von oben“ vorgegeben, verfolgt die Holokratie einen komplett anderen Ansatz. Kurz gesagt: In holokratisch regierten Unternehmen dient die Arbeit dem Sinn und Zweck der Organisation, herrschen klare Verantwortlichkeiten und sind die Entscheidungs- und Handlungsbefugnisse (zum Beispiel auch für Neueinstellungen oder Gehaltsverhandlungen) auf die gesamten Organisationsmitglieder aufgeteilt.
Wie funktioniert das Modell in der Praxis?
In der VUCA-Welt müssen Unternehmen heute flexibel und schnell auf Änderungen am Markt reagieren. Dies lässt sich mit traditionellen hierarchischen Strukturen nur schwer erreichen. Holokratie hingegen verspricht ein dynamisches Reagieren in selbstorganisierten Teams.
Robertson zog den Vergleich mit einem menschlichen Körper: In diesem arbeiten alle Organe zusammen und dennoch hat jedes Organ seine eigenen Funktionen.
Nachfolgend die Basics zur Struktur holokratisch organisierter Unternehmen:
- Hierarchie wird in der Holokratie durch das Modell eines Holons (= Kreis oder Abteilung) ersetzt.
- Die Kreise sind hierarchisch angeordnet und Bestandteil eines anderen übergeordneten Kreises. Die Zuständigkeiten der Kreise sind dabei klar geregelt. Kreise sind vergleichbar mit Unternehmensbereichen, also zum Beispiel Marketing, IT, Finanzen etc. Unterkreise stellen Spezialisierungen innerhalb eines Kreises dar.
- Das kleinste Element im Holokratie-Modell ist die Rolle. Eine Rolle hat bestimmte Verantwortlichkeiten und Aufgaben (z. B. Social Media Marketing) und ist zu anderen Rollen klar abgegrenzt. Innerhalb des durch die Rolle vorgegebenen Rahmens kann man seine Arbeit so gestalten wie man es für richtig hält. Jede Rolle hat in ihrem Verantwortungsbereich eine Autorität, die um Erlaubnis gefragt werden muss.
- Die Mitarbeiter, die sich innerhalb eines Kreises bewegen, nehmen unterschiedliche Rollen ein, die unabhängig von einer Person sind. Das steht im Gegensatz zum hierarchischen Modell, wo jeder Mitarbeiter seinen festen Platz im Organigramm hat.
- Wie die Mitarbeiter eines Kreises die gesteckten Ziele erreichen, legen sie selbst fest.
- Meetings- und Entscheidungsprozesse innerhalb von Kreisen laufen nach definierten Vorgaben ab. Holokratie ist also nicht gleichbedeutend mit Büro-Anarchie.
Fazit: Auch in der Holokratie gibt es eine Art Hierarchie und sehr präzise Regeln. Diese sind notwendig, um die Ziele des Unternehmens zu erreichen.
Die vier Säulen als Basis des Holokratie-Modells
Die Regeln der Holokratie hat ihr Gründer in einer Holokratie-Verfassung niedergeschrieben. Sie gilt als Basis des Management-Modells und verfolgt folgende vier Prinzipien:
1. Doppelte Verbindung (double-linking)
Da es in der Holokratie unterschiedliche autonome Einheiten gibt, müssen diese natürlich untereinander kommunizieren. Hierfür werden in jedem Kreis eine oder mehrere Personen bestimmt, die die Kommunikation in die jeweils anderen Kreise übernehmen. Diese teilen Informationen aus ihrem Kreis und vertreten dessen Interessen im Nachbarkreis. So können Kreise nicht aneinander vorbei arbeiten.
2. Rollen statt Personen
Die Holokratie fußt auf einer Trennung zwischen Person und Rolle. Man ist also beispielsweise nicht „Content Marketing Manager“, sondern einfach „Angestellter“ mit den Funktionen „Corporate Blog“ und „Content-Marketing-Strategie“.
3. Integrative Entscheidungsfindung
Bedeutende Steuerungsentscheidungen in den Kreisen fallen per integrativer Entscheidungsfindung. Das heißt: Es wird keine perfekte, sondern eine für die Praxis brauchbare Lösung gesucht, die sich erst noch bewähren muss und daher jederzeit von jedem geändert werden kann.
4. Trennung von Steuerungstreffen und operativen Treffen
Operative Treffen finden auf Unternehmensebene statt, um die Aktivitäten des Tagesgeschäfts zu regeln. Anders ist das bei den Steuerungstreffen: Hier wird über Strategien und Ideen nachgedacht und über die Zusammenarbeit im Kreis entschieden. Ressourcenfragen zu Geld, Personal und Zeit werden in diesen Treffen bewusst nicht angesprochen.
Für welche Unternehmen eignet sich Holokratie?
Die holokratische Organisationsform ist nicht für alle Organisationen gleichermaßen interessant. So funktioniert sie in kleinen und mittelgroßen Unternehmen, die schnell auf Veränderungen des Marktes reagieren müssen und innovativ arbeiten, besser als in großen Unternehmen und Konzernen. Letztere kommen oft nicht um starre Hierarchien und standardisierte Prozesse herum beziehungsweise es ist schwierig, in einem etablierten Unternehmen die Strukturen und Gewohnheiten zu ändern. Hier sollte Holokratie am Anfang in kleineren Teams und Organisationseinheiten getestet werden, ehe das Thema unternehmensweit angegangen wird.
Denn: Voraussetzung für ein Funktionieren der Holokratie sind immer die Mitarbeiter, die bereit sein müssen, sich auf etwas Neues einzulassen, die Regeln der Holokratie zu verinnerlichen und sich in das neue Organisationsmodell einzubringen. Wer ein Unternehmen neu gründen möchte, hat hierbei den Vorteil, nicht erst einen aufwändigen Change-Management-Prozess initiieren zu müssen.
Beispiele für holokratische Unternehmen in der Praxis
Ein Beispiel für ein deutsches Unternehmen, das Holokratie erfolgreich einsetzt, ist der WordPress-Hosting Dienstleister Raidboxes aus Münster (Westfalen). Die Firma hat Holokratie 2016 eingeführt und lebt seitdem nach diesem Organisationsmodell. Mit der Einführung von Holokratie verband das Unternehmen das Ziel, die Zufriedenheit der Mitarbeiter zu steigern (Quelle) und wollte Folgendes erreichen:
- persönlichen Frust minimieren
- mehr Freiheit für den Einzelnen
- mehr Freiheit für den Chef
- bessere Skalierbarkeit und mehr Agilität
Nach mehreren Jahren Holokratie-Praxis zog Raidboxes das Fazit, dass das Experiment geglückt sei und die Mitarbeiter zufrieden mit ihrem Job seien. Zudem habe sich die Produktivität im Unternehmen verbessert. Für alle, die Holokratie in ihrem Unternehmen einführen wollen, aber anfangs mit dem neuen Konzept und den vielen Regeln überfordert sind, bietet Raidboxes ein kostenloses Starter-Kit an, damit New-Work-Anhänger in anderen Unternehmen schneller in die Umsetzung kommen.
Weitere Best-Practice-Beispiele für die erfolgreiche Umsetzung des Holokratie-Modells finden sich auf dieser Seite.
Vor- und Nachteile von Holokratie in der Praxis
Holokratie versucht, die Entscheidungsprozesse innerhalb eines Unternehmens effektiver zu organisieren. Das bringt einige Vorteile, es lauern bei einer konsequenten Umsetzung aber auch einige nicht zu vernachlässigende Stolperfallen.
Vorteile von Holokratie
- kaum Hierarchien: In der Holokratie haben die Mitarbeiter eines Unternehmens eine hohe Entscheidungsautonomie.
- gesteigerte Innovationskraft: Eine höhere Eigenverantwortung statt aufwändiger interner Bürokratie fördert unternehmerisches Denken und führt so meist auch zu mehr Innovationen.
- mehr Effizienz: Durch den Wegfall hierarchischer Strukturen können Projekte von Mitarbeitern schneller vorangetrieben und erledigt werden, als wenn diese erst von diversen Entscheidungsinstanzen abgesegnet werden müssten.
- motiviertere Mitarbeiter: Nach den Regeln der Holokratie sollen Mitarbeiter Rollen einnehmen, weil sie dafür geeignet sind und nicht, weil sie sie sich verdient haben. Das fördert die Mitarbeitermotivation.
- Flexibilität: Aufgrund der flexiblen Organisation kann ein holokratisch regiertes Unternehmen schneller Entscheidungen treffen.
Nachteile von Holokratie
- Beziehungskultur wird ausgeblendet: Im Holokratie-Modell wird davon ausgegangen, dass Mitarbeiter Entscheidungen in jeder Situation nur aufgrund sachlicher Kriterien fällen (Trennung von Rolle und Person) und die Beziehungen zwischen zwei Menschen dabei keine Rolle spielen. Das blendet allerdings aus, dass Menschen Entscheidungen immer basierend auf der Beziehungsqualität treffen. Ist diese schlecht, wird das Einfluss auf die Entscheidung haben. Kritiker des Modells bemängeln, dass Mitarbeiter wie Computer zu funktionieren haben, die Entscheidungen allein nüchtern aufgrund Daten und Fakten treffen, ohne persönlich involviert zu sein.
- hohe Komplexität: Der Holokratie-Ansatz wurde aufgrund seiner hohen Komplexität häufig dafür kritisiert, die Zusammenarbeit zu erschweren, anstatt Arbeitsabläufe zu vereinfachen.
- zu großer Druck: Nicht jeder Mitarbeiter kann mit der durch die Holokratie eingeräumten Freiheit und dem Entscheidungsspielraum umgehen und möchte unternehmerische Entscheidungen fällen, die über das Wohl und Wehe eines ganzen Unternehmens entscheiden. Holokratie setzt auf reife und rational handelnde Mitarbeiter, die selbständig arbeiten können.
Von Hierarchie zu Holokratie: 3 Tipps für die Einführung
Du findest die Prinzipien der Holokratie spannend und möchtest am besten gleich morgen damit anfangen? Langsam! Nachfolgend erhältst Du drei wichtige Tipps für die Implementierung einer holokratischen Organisation:
1. Nicht zu schnell
Die Einführung des holokratischen Modells bedeutet einen deutlichen Eingriff in die Unternehmenskultur. Eine Umstellung eines Unternehmens auf holokratische Selbstorganisation muss im Rahmen eines Change Managements gründlich vorbereitet und getestet werden und die oberste Führungsebene muss das mittragen. Immerhin handelt es sich um Menschen, die das System in der Praxis mit Leben füllen müssen. Ein Überstülpen des Organisationsmodells wäre kontraproduktiv. Außerdem sollte ein externer Holokratie-Coach an Bord geholt werden, der mit seiner Erfahrung die Umstellung begleitet.
2. Mitarbeitern Anreize bieten
In einem holokratisch organisierten Unternehmen gibt es keine gut bezahlten Führungspositionen und Managerposten mehr. Damit geht für die Mitarbeiter ein Stück Sicherheit verloren, da sie im hierarchischen Modell ihre Plätze in- und auswendig kannten. Um im Zuge der Umsetzung keine wichtigen Führungskräfte zu verlieren, sollte man sich genau überlegen, mit welchen Anreizen man diese an Bord behält.
3. Regelmäßige Governance Meetings
Wenn Du Holokratie in Deinem Unternehmen einführen willst, solltest Du regelmäßig sogenannte Governance Meetings abhalten. Hier wird an der grundlegenden holokratischen Struktur aus Rollen und Kreisen gearbeitet. Dabei sollte man sich auch mit funktionierenden Lösungen zufriedengeben, selbst wenn diese nicht vollständig den Lehrbuch-Vorstellungen entsprechen. Das Konzept der Holokratie sollte in jedem Fall auf die jeweilige Organisation angepasst werden.
Holokratie: Mehr Eigenverantwortung im Unternehmen wagen
Holokratie stellt ein modernes Organisationssystem dar, das im Zuge des New-Work-Trends entstanden ist und die komplette Struktur eines Unternehmens verändert. Es verwundert daher nicht, dass dieser radikaldemokratische Ansatz in Deutschland laut dem New Work Barometer nur selten zur Anwendung kommt, aber ein beliebtes Beraterthema ist. Die Beschäftigung mit Holokratie solltest Du als Führungskraft zum Anlass nehmen, die hierarchische Struktur in Deinem Unternehmen zu überdenken, effizienter zu gestalten und das eigenverantwortliche Arbeiten zu fördern. Denn darum geht es letztlich – und nicht darum, das Modell der Holokratie in Reinform umzusetzen.
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