Meer und Felsen

Arbeitszufriedenheit in Deutschland 2016

Die Arbeitswelt ist im Umbruch. Innerhalb der kommenden fünfzehn Jahre werden den Unternehmen zehn Millionen Mitarbeiter fehlen. Betriebe, die es nicht schaffen, attraktive Arbeitsplätze zu bieten, werden den Kürzeren ziehen. »Die Arbeit muss sich in Zukunft nach dem Leben der Menschen richten, sonst wird es nicht funktionieren«, sagt Ralph Bruder, Leiter des Instituts für Arbeitswissenschaft an der TU Darmstadt. Ein guter Zeitpunkt also, um über „Glück am Arbeitsplatz“ nachzudenken.
27
Juni
2017

1. Vorwort zur Studie von Prof. Dr. Armin Trost

In welchem Verhältnis stehen Glück, Zufriedenheit bei der Erfüllung beruflicher Tätigkeiten und Arbeit? Lange Jahre war der explizite Arbeitsvertrag zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern vergleichsweise simpel. Der Mitarbeiter erfüllt die ihm übertragenen Aufgaben während der Arbeitszeit, die er zu erbringen hat und dafür bekommt er Geld. Punkt. Noch heute sind das die wesentlichen Inhalte rechtssicherer Arbeitsverträge. Zumindest habe ich noch keinen Arbeitsvertrag gesehen, in dem einem Mitarbeiter Zufriedenheit oder gar die Erfüllung seines Selbst zugesichert wird.

Und dennoch scheint uns dieses Thema seit Jahrzehnten zu bewegen. Schon etliche Großindustrielle in der Geschichte der deutschen Wirtschaft haben sich eine soziale Verpflichtung gegenüber den Arbeitnehmern zu eigen gemacht, Man denke an Größen, wie Alfred Krupp oder Robert Bosch. Dahinter steckte sicherlich nicht nur purer Altruismus oder gar Nächstenliebe, sondern auch ein Quäntchen betriebswirtschaftlichen Kalküls. Vielleicht sind zufriedene oder glückliche Mitarbeiter leistungsbereiter und loyaler gegenüber ihrem Arbeitgeber?

Tatsächlich entwickeln sich derzeit Glück und Zufriedenheit zu Themen von geradezu strategischer Bedeutung. Arbeitgeberattraktivität findet sich zunehmend unter den Tagesordnungspunkten bei Meetings von Top-Entscheidern. Dabei wird nicht nur an die Gewinnung von Fachkräften gedacht. In einer Zeit, wo es weniger um körperliche Arbeit, Fleiß und Gehorsam geht sondern um Innovationskraft und Veränderungsfähigkeit ganzer Unternehmen stehen Kreativität, Zusammenarbeit, Kommunikation im Mittelpunkt des Interesses. Dabei wird schnell offensichtlich, dass aus verzagten Köpfen wohl kaum kreative Ideen entspringen.

Es ist toll, dass sich die Kollegen von Avantgarde-Experts in ihrer bekannt offenen, kreativen und zugleich professionellen Art auf den Weg gemacht hat, das zu tun, was an dieser Stelle nahe liegt: Fragen wir doch einfach mal die Menschen in den Unternehmen, was ihnen wichtig ist und wie sie dieses Thema erleben. Der hier vorgenommene Vergleich mit den Ergebnissen aktueller Studien und den Aussagen von Unternehmenslenkern macht die Sache umso spannender.

Armin Trost

2. Studienvergleich: Kernaussagen, gemeinsame Nenner, Widersprüche und Trends

Studienvergleich

In den vergangenen Jahren waren oft widersprüchliche Aussagen zu lesen. Die FAZ titelte am 1. Mai 2015: „Arbeitnehmer müssten zufrieden sein – sind es aber nicht“. Die Grundlage des Artikels stellten zwei Studien: Die Kernaussage des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) war, die Arbeitsbedingungen in Deutschland seien so gut wie nie zuvor. Im krassen Gegensatz dazu stand das Umfrageergebnis eines Personaldienstleisters. Danach waren mehr als 45 Prozent der Arbeitnehmer unzufrieden mit der aktuellen Arbeitssituation.

Und das in einer Zeit, in der das Thema Arbeit immer mehr Raum einnimmt. Wer jetzt 30 Jahre alt ist, wird voraussichtlich im Jahr 2060 mit 74 Jahren in Rente gehen. Das errechnete kürzlich das Statistische Bundesamt. Gleichzeitig wird es im Jahr 2060 30 Prozent weniger Erwerbstätige zwischen 20 und 64 Jahren geben. Jeder dritte Arbeitnehmer wird älter als 65 sein.

Eine erste Analyse der beiden Studien mag zeigen, dass die Ergebnisse vom Blickwinkel des jeweiligen Betrachters abhängen. Arbeitgeberorganisationen zeichnen eher ein positives Bild der Arbeitszufriedenheit, Arbeitnehmervertreter das Gegenteil. Wie lassen sich diese Ergebnisse neutral deuten und auf einen Nenner bringen? AVANTGARDE Experts vergleicht 15 Studien zum Thema „Glück am Arbeitsplatz“ und entschlüsselt die tatsächlichen Ursachen und Hintergründe.

Kernaussagen aus dem Studienvergleich:

Bestätigt: Arbeit ist für die meisten nicht mehr wichtigster Lebensinhalt (GfK, Apotheken Umschau, 2015)
Widerlegt: Zukünftige Perspektiven sind ausschlaggebend für Arbeitszufriedenheit (Stepstone)
Bestätigt: 87 Prozent sind an neuem Job interessiert (Stepstone)
Widerlegt: Kleine Gesten am Arbeitsplatz wie freies Obst oder Süßigkeiten fördern das Glück am Arbeitsplatz, werden von Unternehmen aber reduziert (ManPower)
Bestätigt: Arbeitszufriedenheit hängt stark von Einkommen ab (myMarktforschung)
Widerlegt: Kritik an Vereinbarkeit von Arbeit und Familie (Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist extrem wichtig) (INSM, ManPower)

Widersprüche

Selbstverwirklichung (Wirtschaftspsychologie-aktuell, 10.10.14) vs. „Arbeiten um zu leben“ (SZ, 19.01.2016) >> aufgelöst: Die Mehrheit will arbeiten um zu leben.
Gleichberechtigung vs. traditionelles Familienmodell (WiWo, Allensbach) >> aufgelöst: Gleichberechtigung scheint Arbeitnehmern nicht wichtig.
Arbeitszufriedenheit hängt stark von Einkommen ab (Stepstone) vs. Arbeitsinhalte sind das wichtigste (myMarktforschung) >> aufgelöst: Das Einkommen ist entscheidend.
Gehalt ist Hauptgrund zu Wechseln vs. Extrageld spornt Mitarbeiter nicht an (Impulse, 23.10.2015) >> aufgelöst: Das Gehalt ist der entscheidende Faktor, auch beim Firmenwechsel.
Die Arbeitsbedingungen für deutsche Arbeitnehmer sind so gut, wie nie zuvor: Urlaub, Löhne, Gesundheit, Kaufkraft (INSM, IW) vs. über 80% wollen Ihren Job wechseln (Stepstone) >> aufgelöst: Nur 9% sind vollkommen zufrieden im Job.
Mehr als die Hälfte der Deutschen ist uneingeschränkt zufrieden mit ihrem Job vs. viele haben mit ihren Karrierezielen resigniert (Deutschlandradio, Ernst & Young) >> widerlegt: Nur 9% sind vollkommen zufrieden.
Vereinbarkeit von Beruf und Familie vs. Viele Firmen verhindern Home-Office (SZ, 31.01.2016) >> aufgelöst: flexible Arbeitszeit ist dem Arbeitnehmer wichtig, Home-Office nicht. Er will ins Büro, aber selbst entscheiden wann.
Der Wert Familienfreundlichkeit ist bei den meisten Unternehmen unter den Top-Ten vs. nur 9 Prozent tun auch etwas dafür (Neon). >> aufgelöst: Familienfreundlichkeit ist bei Arbeitnehmern ein untergeordneter Wert.
Jeder Zehnte ist mit seiner Arbeitszeit unzufrieden (SZ, 15.02.2016) vs. Überstunden sind an der Tagesordnung (SZ, 11.02.2016) >> aufgelöst: Mehr als die Hälfte ist mit 5-Tage-Woche zufrieden, würde tendenziell aber gerne etwas weniger arbeiten.

Trends

Bestätigt: Flexible Arbeitszeiten sind wichtiger als Home-Office (Bosch)
Widerlegt: Selbstbestimmung ist wichtigster Faktor zum Glück am Arbeitsplatz (Haufe-Lexware GmbH & Co. KG, Unternehmensdemokraten)
Widerlegt: Gute Beziehung zu Kollegen und klare Anforderungen sowie Ziele sind wichtiger als das Gehalt (Stepstone)
Widerlegt: Entwicklungsmöglichkeiten sind wichtiger als die Jobsicherheit
Widerlegt: Weiterbildungsmöglichkeiten sind wichtiger als Arbeitszeiten
Widerlegt: Positives Unternehmensimage und gute Erreichbarkeit mit ÖPNV sind wichtiger als Sozialleistungen.

Gemeinsamer Nenner

Bestätigt: Zu wenig Gehalt (Manpower, MyMarktforschung)
Widerlegt: Kritik an Vereinbarkeit von Arbeit und Familie (Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist extrem wichtig) (INSM, ManPower)

3. Zentrale Thesen der Leitfaden-Interviews: Die Sicht der Arbeitgeber

Zentrale Thesen der Leitfaden-Interviews

Bei der Frage, wie sich Zufriedenheit am Arbeitsplatz einstellt, sind sich die Entscheider in Unternehmen einig: Sie sehen es als größte Herausforderung und zugleich Aufgabe von Führungskräften für die Wertschätzung von Mitarbeitern zu sorgen. Das ist unisono aus Sicht der Führungskräfte der Schlüssel für Mitarbeitermotivation und Glück am Arbeitsplatz.

Im gleichen Atemzug betonen sie, wie schwierig diese Aufgabe oft sei, wenn sie von Termin zu Termin hetzen und teilweise mit 40 direkt zugeordneten Mitarbeitern kommunizieren sollen. Bei der Linde AG heißt es deswegen, die ideale Teamzusammensetzung liege bei 10 bis 12 Personen.

Grundsätzlich schätzen Führungskräfte ständige Herausforderungen am Arbeitsplatz als „gesund“ und positiv ein sowie förderlich für die Zufriedenheit am Arbeitsplatz.

Das absolute Ideal sehen sie dann, wenn jeder genau das tut, was ihm am meisten Spaß macht. „Wenn die Arbeit ein Stück weit zur Erfüllung wird, entsteht Glück am Arbeitsplatz“, heißt es bei Linde in München.

Entwicklungschancen aufzeigen und Mitarbeitern an diese Chancen heran zu führen sehen die meisten Unternehmensentscheider als ihr „täglich Brot“.

Haben Mitarbeiter innerlich gekündigt sehen die meisten Chefs nicht Geld als entscheidenden Faktor, sondern in erster Linie Frustrationsabbau durch Kommunikation. „Abholen, was das Problem ist und dann unterstützen, wo es geht“, heißt es, wenn Leistungsträger mit einer Kündigung drohen.

Fragt man die Chefs nach ihrem idealen Arbeitgeber kommen häufig diese drei Stichworte zum Tragen:

  • Menschlichkeit und „People Excellence“: Exzellentes soziales Umfeld und wertschätzender Umgang miteinander
  • Saubere Organisation: Profitables Unternehmen, klare Struktur
  • Arbeitsbedingungen: Arbeitszeiten, Umfeld, Familienfreundlichkeit, Teilzeitverträge, flexible Arbeitszeiten, etc.

Als den entscheidenden Faktor für Glück am Arbeitsplatz sehen die meisten Vorgesetzten letztlich das Zusammenspiel des Teams. Der Teamgeist im Büro gilt als Kitt für die Zufriedenheit am Arbeitsplatz.

4. Zentrale Thesen der Umfrage: Die Sicht der Arbeitnehmer

Die bevölkerungsrepräsentative Umfrage unter sozialversicherungspflichtigen Angestellten in Deutschland (N=837) zeigt ein klares Wertebild auf.

Auf die Frage „wie zufrieden sind Sie mit Ihren Arbeitsbedingungen“ antworteten auf einer Skala von 0 bis 10 nur 9 Prozent, sie wären vollkommen zufrieden.  14 Prozent hingegen sagten an, sie wären eher unzufrieden. Ganze 8 Prozent waren sich nicht sicher und gaben „weder noch“ an. 59 Prozent der Befragten gaben einen Zufriedenheitswert zwischen 7 und 9 Punkten auf der Skala an – und sind damit „eher zufrieden“ mit den aktuellen Arbeitsbedingungen. Nur 1 Prozent war gänzlich unzufrieden.

Gehalt ist der wichtigste Faktor für Zufriedenheit am Arbeitsplatz

Gehalt ist den Deutschen der mit Abstand wichtigste Zufriedenheitsfaktor am Arbeitsplatz – und damit wichtiger als die persönliche Selbstverwirklichung, wichtiger als Selbstbestimmung und wichtiger als das Klima mit den Kollegen. Nahezu die Hälfte der Befragten gab an, dass ihr Gehalt ausschlaggebend für die Zufriedenheit am Arbeitsplatz ist. Das widerlegt die momentan so angesagte These, dass sich die meisten Deutschen bei der Arbeit selbst verwirklichen müssen, um zufrieden zu sein.

Arbeit ist Mittel zum Zweck: Angestellte wollen Geld verdienen, damit sie sich ein erfülltes Privatleben leisten können. Auf Platz 2 und 3 steht das Arbeitsumfeld, nämlich die Kollegen (15 Prozent) und die Arbeitszeit (14 Prozent). Arbeitsinhalte sind nur noch für 9 Prozent der wichtigste Punkt für Glück am Arbeitsplatz.

Hop oder top?

Wenn sich der Arbeitnehmer entscheiden müsste, zeigt sich ein eindeutiges Bild: Bei einigen Fragen konnten sich die Teilnehmer nur für einen von zwei Punkten entscheiden. Wir wollten wissen: „Welche der beiden Möglichkeiten würde Sie glücklicher machen?“. Die Ergebnisse zeigen ein erstaunliches Werte-Empfinden.

Bei der Entscheidung zwischen „Selbstbestimmung“ oder Geld haben sich 75 Prozent für mehr Geld entschieden. Flexible Arbeitszeiten und damit ein Stück mehr Selbstbestimmung waren für nur 25 Prozent der Befragten wichtiger. 

Innerhalb des Wertes Selbstbestimmung wurden Zeit und Ort unterschieden. Mit knapp 80 Prozent bewerteten die Deutschen flexible Arbeitszeiten höher, als die Möglichkeit, auch von zu Hause arbeiten zu können. Das Home-Office ist also lange nicht so attraktiv wie zeitliche Flexibilität.

Lieber die Taube auf dem Dach als der Spatz in der Hand

68 Prozent der Befragten möchten lieber einen Job der langfristig sicher ist, als eine vergleichsweise unsichere Arbeitsstelle, die aber mehr Entwicklungschancen bietet. 

Familie oder Karriere?

Wenn es hart auf hart kommt, entscheiden sich die meisten der Befragten für die Familie. Bei der Gegenüberstellungsfrage, „Würden Sie lieber Familie oder Karriere wählen“ loggten 75 Prozent der Befragten den Wert Familie ein. Dem gegenüber stehen nur 25 Prozent Karrieristen.

Kollegen sind wichtiger als Familienfreundlichkeit

Müssten sich die Befragten entscheiden würden sie ein angenehmes soziales Umfeld einem familienfreundlichen Unternehmen vorziehen. Mit 63 Prozent hat sich bei der Werte-Gegenüberstellung eine Zweidrittel-Mehrheit für nette Kollegen und damit gegen das familienfreundliche Unternehmen entschieden.

Auch bei der Gegenüberstellung von Privatleben und Karriere gewinnt der weiche Faktor mit überwältigender Mehrheit: 83 Prozent würden sich eher für „mehr Privatleben“ anstatt für „mehr Karriere“ entscheiden. Wohl deswegen rangiert auch das Gehalt so hoch innerhalb der Arbeitszufriedenheit: Wenn das Privatleben so viel wichtiger ist, dann ist Arbeit am Ende doch nur ein Mittel zum Zweck – und kein Lebensinhalt.

Wenige möchten für mehr Geld auch mehr arbeiten

Bei der Frage nach der idealen Arbeitswoche, würden 55 Prozent der Teilnehmer bei ihrer aktuellen 5-Tage-Woche bleiben. Allerdings würden 26 Prozent der Befragten für eine 4-Tage Woche auf Geld verzichten – 80 Prozent des Gehalts würde ihnen reichen. Mehr arbeiten für mehr Geld wollen aber nur Wenige: Nur 13 Prozent der Teilnehmer würde für 120 Prozent des Gehalts auf eine 6-Tage-Woche gehen. Eine verschwindend kleine Minderheit von drei Prozent würde mit 60 Prozent Gehalt eine Dreitage-Woche genießen.

Die Mehrheit fühlt sich mit Job überfordert

In der einschlägigen Personalmanagement-Fachliteratur ist zu lesen, dass eine leichte Überforderung für die Arbeitsleistung förderlich sei. Diese Maxime nehmen sich wohl viele Chefs zu Herzen. Denn die Frage, wie sehr der Job die Befragten fordert, gaben die meisten an, eher über- als unterfordert zu sein. Nur 21 Prozent fühlen sich mit ihren Aufgaben leicht bis stark unterfordert. Mit 26 Prozent ist ein Viertel der Befragten in ihrer Jobsituation ideal ausgefüllt. Die Mehrheit mit 53 Prozent fühlt sich leicht bis stark überfordert.

Wunschgehalt, flexible Arbeitszeiten, mehr Urlaub

Bei der Frage, welche Faktoren das Arbeitsleben verbessern würde, landen hehre Ideale wie Gleichberechtigung oder soziales Engagement auf den mittleren oder gar hinteren Rängen. Die ersten drei Plätze gehen an das Wunschgehalt, flexible Arbeitszeiten und mehr Urlaub. 

Trotz Überforderung schlummert Potential in der Belegschaft

Wir fragten die Beschäftigen: „Wie könnten Sie, neben Ihrer regulären Funktion und Aufgabe, Ihr Unternehmen unterstützen?“ Knapp die Hälfte, nämlich 48 Prozent, wählten die Antwortmöglichkeit „Meine Erfahrung an Berufsstarter weitergeben“. Ein Drittel könnte sich zudem vorstellen, bei bestimmten Projekten außerhalb ihres Aufgabenbereichs, als Berater zu agieren oder einem jüngeren Kollegen als langfristiger Mentor zur Seite zu stehen. Ein Viertel der Befragten reizte es auch, Projekte im Ausland zu betreuen.

Warum bleiben, wenn man eigentlich kündigen möchte?

Hat ein Arbeitnehmer innerlich gekündigt und ist bereits auf Jobsuche, hält ihn nur eine Gehaltserhöhung von der Kündigung ab. Das zumindest geben 60 Prozent der Befragten an. Ein Drittel der Befragten nennt flexible Arbeitszeiten, mehr Urlaub und nette Kollegen als Grund, von einem Arbeitgeber-Wechsel abzusehen. Für nur 20 Prozent ist mehr gestalterische Freiheit ein Grund, nicht zu kündigen. 

Arbeitszeit für eigene Projekte, ein flexibler Arbeitsort oder Möglichkeiten zur Weiterbildung waren nur für zehn Prozent wichtig. Bei dieser Frage waren Mehrfachantworten möglich.

Der ideale Job: flexible Arbeitszeiten, Sozialleistungen und Entwicklungsmöglichkeiten

Wenn die Frage nach Gehalt entfällt, rückt die Selbstbestimmung in den Vordergrund. Bei der Frage nach Erwartungen an den idealen Arbeitgeber schaffen es mit 44 Prozent die flexiblen Arbeitszeiten auf Platz eins. Überraschenderweise tauchen auf Platz zwei mit 37 Prozent Sozialleistungen auf, die in Deutschland eigentlich für selbstverständlich gelten. Platz drei, mit 34 Prozent, geht an die persönlichen Entwicklungsmöglichkeiten, die in vorangegangenen Fragen eher eine untergeordnete Rolle spielten. 

Freunde und Familie haben einen hohen Einfluss auf berufliche Entscheidung

Bei der Frage, welche Rolle Freunde und Familie bei beruflichen Entscheidungen spielen, antwortet die Mehrheit der Befragten mit 61 Prozent, dass das persönliche Umfeld Einfluss habe. Bei 32 Prozent sei der Einfluss sogar hoch bis sehr hoch. Nur 19 Prozent gaben an, dass der Freundes- und Familienkreis wenig oder gar keinen Einfluss auf berufliche Entscheidungen haben.

5. Wertehierachie: Ein neues Bild des Arbeitsmarktes

WERTEHIERACHIE

1) Generell wird in Deutschland gearbeitet, um zu leben

I. Privatleben

II. Arbeit

2) Im Kontext Arbeit ist das Gehalt am wichtigsten

I. Geld

II. Selbstbestimmung

III. Freizeit

IV. Soziale Beziehungen

3) Ein Sicherer Arbeitsplatz ist deutschen Arbeitnehmern wichtiger als Entwicklungschancen, Anerkennung und sogar Gleichberechtigung

V. Sicherheit

VI. Perspektiven

VII. Anerkennung

VIII. Abwechslung

IX. Gleichberechtigung

X. Soziales Engagement

XI. Transparenz

Die Wertehierarchie

Der Studienvergleich, die wertebasierte Angestellten-Umfrage und die Leitfadeninterviews mit Führungskräften zeigen ein zum Teil neues Bild des Arbeitsmarktes, bestätigen alte Thesen und widerlegen vermeintlich Neues. Zunächst gibt es klare Diskrepanzen zwischen der Chefetage und Angestellten. Beispielsweise belegt die Umfrage, dass die meisten Angestellten nur mit Geld von der innerlichen Kündigung abrücken. Vorgesetzte denken, sie schaffen das nur durch Kommunikation.

Dass Selbstbestimmung der wichtigste Faktor zum Glück sei, wurde durch die bevölkerungsrepräsentative Umfrage widerlegt. Ebenso die Ansicht, dass gute Beziehungen zu Kollegen und das soziale Umfeld wichtiger seien als Geld. Das Gehalt ist der mit Abstand wichtigste Faktor für Zufriedenheit der Angestellten. Das passt zur Rolle, die Arbeit im Leben spielt: Das Privatleben mit Familie und Freizeit steht in der aktuellen Wertehierarchie eindeutig über der Karriere. Folglich kann man sagen: Wir arbeiten, um zu leben.  Arbeit ist nicht der wichtigste Lebensinhalt, sondern Mittel zum Zweck.

6. Fazit: Arbeitszufriedenheit hängt vom Gehalt ab

Die vorliegende bevölkerungsrepräsentative Umfrage zeigt: Nach wie vor hängt die Arbeitszufriedenheit stark vom Gehalt ab. Selbstbestimmung durch flexible Arbeitszeiten ist deutschen Arbeitnehmern erst an zweiter Stelle von Bedeutung. Direkt danach sorgen auf Platz drei ausreichend Freizeit und Platz vier gute soziale Beziehungen im Job für Glück am Arbeitsplatz. Vielbeschworene Werte wie Gleichberechtigung, gute Perspektiven sowie Vereinbarkeit von Familie und Beruf scheinen vielen Angestellten in Deutschland nebensächlich zu sein.

Arbeitgeber auf der anderen Seite stellen das harmonische Teamgefüge, also die sozialen Beziehungen am Arbeitsplatz, in den Mittelpunkt wenn es um Zufriedenheit am Arbeitsplatz geht. Direkt im Anschluss sehen Chefs wertschätzende Kommunikation und damit Anerkennung als ausschlaggebend. An dritter Stelle halten Personalverantwortliche das aufzeigen von Entwicklungschancen und entsprechende Führung der Mitarbeiter als Coach für bedeutend.

Die Gegenüberstellung der Wertehierarchie der Angestellten zeigt aktuell ein anderes Bild. Erst wenn die sogenannten Hygienefaktoren Gehalt und flexible Arbeitszeiten stimmen, haben Arbeitnehmer ein Auge für das Team und ein Ohr für wertschätzende Kommunikation. Dann sind auch Arbeitnehmern gute soziale Beziehungen, also ein harmonisches Teamgefüge, wichtig. Führungskräfte sehen im Anschluss Entwicklungschancen für Mitarbeiter als bedeutendes Führungsinstrument und Attraktivitätsfaktor für einen Job. Bevor sich Angestellte über potentielle Perspektiven für einen Job entscheiden, ziehen sie die Sicherheit, der beispielsweise ein unbefristeter Arbeitsvertrag bietet, vor.

Für Arbeitgeber ergibt sich daraus ein klare Strukturempfehlung und Wertehierarchie in ihren Stellenausschreibungen. Für Arbeitnehmer ist eine wichtige Aussage, dass nicht jeder Job gleich zur Selbstverwirklichung führen muss. Es darf auch einfach mal nur Arbeit sein.

7. Anhang: Demographie und Quellenangabe

Geschlechterverteilung Avantgarde Experts Studie
Altersverteilung Avantgarde Experts Studie
Verteilung Avantgarde Experts Studie

LITERATUR/STUDIEN

  1. www.deutschlandfunk.de/zufriedenheit-am-arbeitsplatz-auch-40-jaehrige-haben.680.de.html
  2. www.unternehmensdemokraten.de/neue-studie-ueber-arbeitszufriedenheit/
  3. www.zeit.de/karriere/beruf/2016-01/arbeitsmarkt-jobsuche-deutschland-kenntnisse
  4. www.zeit.de/karriere/2016-01/familie-beruf-karriere-vereinbarkeit
  5. vereinbarkeit2020.berufundfamilie.de
  6. www.zeit.de/2014/06/vereinbarkeit-vaeter-kinder-karriere-luege
  7. www.bertelsmann-stiftung.de/de/themen/aktuelle-meldungen/2015/november/ein-leben-ohne-arbeit-ist-keine-alternative/
  8. www.sueddeutsche.de/news/karriere/arbeitsmarkt-jeder-zehnte-ist-mit-seiner-arbeitszeit-nicht-zufrieden-dpa.urn-newsml-dpa-com-20090101-160215-99-735713 (Mikrozensus 2014)
  9. www.sueddeutsche.de/news/karriere/arbeit-studie-ueberstunden-sind-an-der-tagesordnung-dpa.urn-newsml-dpa-com-20090101-160211-99-637765
  10. www.sueddeutsche.de/karriere/studie-deutsche-unternehmen-erlauben-selten-heimarbeit-1.2842664 (DIW)
  11. www.sueddeutsche.de/news/karriere/arbeit-mehrheit-der-deutschen-arbeitet-um-zu-leben-dpa.urn-newsml-dpa-com-20090101-160119-99-38417 (Yougov)
  12. www.mopo.de/hamburg/neue-studie-jeder-zweite-sagt--mein-job-kotzt-mich-an-6596148 (ManPower, Yougov)
  13. www.wiwo.de/politik/deutschland/allensbach-studie-zur-familienpolitik-die-angst-vor-der-rabenmutter/12023230.html (Allensbach)
  14. www.wiwo.de/erfolg/beruf/jobzufriedenheit-das-alter-bestimmt-die-zufriedenheit/11807440.html (Hay Group)
  15. www.impulse.de/management/personalfuehrung/bonuszahlungen/2128677.html (DGFP)
  16. www.manpower.de/neuigkeiten/studien-und-research/studie-jobzufriedenheit/
  17. psyga.info/ueber-psyga/aktuelles/studie-zur-zufriedenheit-am-arbeitsplatz/
  18. www.stepstone.de/b2b/stellenanbieter/jobboerse-stepstone/upload/studie_gluck_am_arbeitsplatz.pdf
  19. mymarktforschung.de/studien/Studie-Arbeitszufriedenheit-2015.pdf
  20. de.statista.com/statistik/daten/studie/242393/umfrage/zufriedenheit-mit-dem-arbeitsplatz-nach-ausgewaehlten-kriterien-in-deutschland/
  21. www.wirtschaftspsychologie-aktuell.de/nachrichten/nachrichten-20141010-selbstverwirklichung-und-50000-euro-im-jahr.html

 

Bildnachweis: Bild1: Ryan Mcquire, gratisography

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