Corona-Studie 2021: Homeoffice - heimlicher Star oder stiller Verlierer?
Studienzusammenfassung - Part 2 Key Findings
Nach unserer dritten Befragung der ArbeitnehmerInnen, mit der wir unsere Verlaufsstudie zum Thema „Arbeiten in Corona-Zeiten“ abschließen, können wir ausmachen, welche Veränderungen sich nach einem Jahr etabliert und wie stark sich Anzeichen von New Work weiter herauskristallisiert haben. Vorneweg: Es ist ein klarer Zwiespalt zwischen Akzeptanz der Veränderungen und der Sehnsucht nach Normalität zu erkennen.
Denn die Krise dauert nach wie vor an. Sie bestimmt mit wechselnden Ausgangsbeschränkungen und Lockdowns mehr noch als vor einem Jahr unser Leben. Langfristige konkrete Lösungen der Politik sind nicht greifbar und ein Ende der aktuellen Pandemie-Situation damit nicht in Sicht. Soll heißen: Entspannte Treffen mit FreundInnen? Face-to-face-Meetings oder normaler Büroalltag? Zu Großteilen ist das immer noch undenkbar. Die Stimmung unter den ArbeitnehmerInnen? Mütend! Das offizielle Unwort des Jahres 2020 passt auch zur Stimmung unserer Befragten im ersten Viertel des Jahres 2021.
Beim Start der AVANTGARDE Experts-Verlaufsstudie im April 2020 war noch nicht absehbar, wie sich unser Leben mit und durch Covid-19 entwickeln würde.
Im Rahmen dieser Verlaufsstudie wurden im März 2021 über 1.000 Arbeiternehmerinnen und Arbeitnehmer zwischen 18 und 69 Jahren (davon knapp 50 Prozent AkademikerInnen) deutschlandweit nach ihrer derzeitigen Lage während der Corona-Pandemie befragt – und diese Ergebnisse denen vom Frühjahr und Herbst 2020 nun final gegenübergestellt. Und eines wurde deutlich:
Waren die Ergebnisse der zweiten im Vergleich zur ersten Befragung schon überraschend, ist der finale Vergleich nun spannend und teils desillusionierend.
Lesen Sie, wie die Menschen in Deutschland mit den Pandemie-Herausforderungen nach einem Jahr umgehen und wie sich ihr Leben beruflich sowie privat verändert hat und in Zukunft vermutlich noch weiter verändern wird.
Forschungsdesign
In der Verlaufsstudie wurde zu drei verschiedenen Zeitpunkten untersucht, wie sich die Corona-Krise auf das Leben und Arbeiten der Menschen in Deutschland auswirkt. Im April 2020 fand die erste Umfrage statt, im Oktober 2020 – zu Beginn der zweiten Welle – die zweite und im März 2021 – ein Jahr nach „Beginn“ der Pandemie – wurde die dritte und letzte Umfrage durchgeführt.
Zu allen drei Zeitpunkten wurden dieselben Fragen an die Teilnehmergruppe gestellt, so dass nun ein direkter Vergleich über einen Zeitraum von zwölf Monaten ermöglicht wurde. Einige Fragen kamen aus etwaigen aktuellen Gründen bei den jeweiligen Umfragen neu hinzu.
Neben Auswirkungen auf das Arbeitsleben wurden auch Fragen zum persönlichen Befinden gestellt. Befragt wurden ArbeitnehmerInnen, die während der Pandemie zumindest an einigen Tagen im Homeoffice arbeiten können.
Ergänzend und um unsere aktuellen Kernaussagen mit einschlägigen Studien zu ähnlichen Fragestellungen zu Corona und Homeoffice vergleichen zu können, hängen wir den finalen Ergebnissen unserer Verlaufsstudie eine Meta-Analyse an, auf die wir im Fazit unserer Verlaufsstudie eingehen.
Executive Summary
Leben im Lockdown - Körper und Psyche schlagen Alarm
Die ArbeitnehmerInnen spüren die Auswirkungen der Corona-Krise weiterhin deutlich, verfallen aber – anders als in der zweiten Welle – in einen fast schon lethargischen Zustand. Die generelle Stimmung kippt deutlich, die Studienteilnehmenden fühlen sich zunehmend niedergeschlagen und kämpfen noch stärker als zu Beginn der Pandemie mit Einsamkeit und psychischen Beschwerden. Die sprudelnde Quelle des Home-Sport-Trends versiegt ebenso wie die Running-Motivation einiger Hobby-AthletInnen.
Das rächt sich: Körperliche Beschwerden nehmen deutlich zu. Die Menschen scheinen im wahrsten Sinne des Wortes in ihrer Bewegung erstarrt. Dafür schätzen die zunehmend passiv agierenden ArbeitnehmerInnen eine goldene Kehrseite der Coronamedaille: Endlich genug Zeit für Familie und Freunde – egal ob digital oder in persona.
Home oder Office? Jeder Zweite will im Homeoffice bleiben
Betrachtet man die durchschnittliche Zufriedenheit der ArbeitnehmerInnen hinsichtlich ihrer aktuellen Arbeitssituation, sind jene am zufriedensten, die wieder jeden Tag im Office verbringen. Dicht gefolgt von denjenigen, die ausnahmslos im Homeoffice arbeiten. Weniger zufrieden sind die Befragten, die Homeoffice und externes Office kombinieren. Blickt man hingegen im Detail auf die Stärke der Zufriedenheit, so stellt sich heraus, dass diejenigen, deren Homeoffice-Situation unverändert ist, am wenigsten zufrieden sind. Je mehr Tage die ArbeitnehmerInnen im Büro verbringen, desto stärker kommt ihre Zufriedenheit zum Ausdruck. Und trotzdem will jeder Zweite im Homeoffice bleiben. Insbesondere der stressfreie Arbeitsweg und die freie Zeiteinteilung gelten nach wie vor als Highlights im Arbeitsalltag, wenn die Befragten die heimischen vier Wände favorisieren.
Die StudienteilnehmerInnen sind dabei echte Teamworker, auch zu Hause: Insbesondere Verheiratete und Paare sind nach eigenen Angaben sehr produktiv. Die Work-Life-Harmonie fehlt jedoch zunehmend: So wünschen sich insbesondere Männer eine klare inhaltliche Trennung der Lebensbereiche, wenn sie schon räumlich zusammenfällt.
Die Krise zeichnet insgesamt eine gute bis sehr gute Bilanz für Unternehmen. Über alle drei Befragungszeitpunkte hinweg sind die Befragten sehr zufrieden mit den Digitalisierungsprozessen in ihren Unternehmen. Es sind vor allem die großen Player, die diese Umstrukturierung laut der Studienteilnehmenden mit Bravour meister(te)n. In der zweiten Welle stach der Wille nach Innovation noch deutlich unter den ArbeitnehmerInnen hervor. Die Beschäftigten sehnten sich nach Taten und legten eine Zupack-Mentalität an den Tag. Diese Euphorie und Sehnsucht ist nun vor allem im Vergleich zur ersten Welle einem Überlebenskampf gewichen.
Denn: Aktuell steht der Erhalt von Arbeitsplätzen und damit wirtschaftliches Fortbestehen sowie die Arbeitsmoral der MitarbeiterInnen für die Befragten im Vordergrund. Die geringste Hürde liegt in der Loyalität zum Unternehmen, denn beim Großteil der Befragten blieb diese seit Beginn der Krise unverändert. Gemeinsam mit dem/der eigenen ArbeitgeberIn wirtschaftlich überleben lautet die Devise. Als spürbare Veränderung in der Arbeitskultur der Unternehmen wird wie auch zum Zeitpunkt der zweiten Befragung, die erhöhte Akzeptanz von Homeoffice gesehen sowie die Möglichkeit der flexiblen Arbeitszeiteinteilung.
Die Welt nach Corona: Ernüchterung statt Euphorie
Grundsätzlich folgen die Aussagen in den drei Erhebungszeiten einer Wellenbewegung. Am Anfang der Pandemie gingen die meisten ArbeitnehmerInnen im Homeoffice von einer Übergangszeit aus, die sich schnell wieder normalisieren sollte. Was groß ändern, wenn sich sowieso alles in absehbarer Zeit wieder einpendelt? Zum Zeitpunkt der zweiten Befragung war klar: Das ist noch nicht das Ende vom Lockdown-Lied. Diese Tatsache löste bei über der Hälfte der StudienteilnehmerInnen eine regelrechte Euphorie zur Veränderung hervor. Der Wunsch nach Innovation, beruflicher sowie privater Neuorientierung war deutlich zu spüren.
Diese Aufbruchsstimmung ist zum dritten Zeitpunkt der Erhebung einer gewissen Ernüchterung gewichen. Nicht einmal mehr jeder Zweite hat aktuell das Bedürfnis, irgendetwas an seinem Leben zu ändern – sowohl privat als auch beruflich. Entweder frei nach dem Motto: Was man kennt, kann so schlecht nicht sein. Das gilt offenbar auch für pandemische Situationen. Oder: Die andauernde Pandemie genügt vielen als konstante Veränderung in ihrem (Arbeits-)Leben. Auch ist möglich, dass viele ArbeitnehmerInnen bereits im Zuge der 2. Welle ausreichend Änderungen vorgenommen haben und damit zufrieden scheinen.
Zudem gehen die meisten weiterhin davon aus, dass die Arbeit im Homeoffice bleibt. Trotz offensichtlich zunehmend negativer Stimmung und Vereinsamung, fällt die Wahl zwischen dauerhaftem Büro oder Homeoffice nach wie vor marginal zugunsten des Homeoffice aus.
Ergebnisse im Detail
1. Leben im Lockdown - Körper und Psyche schlagen Alarm
Lethargie im Wandel:
Befragte spüren Corona-Auswirkungen deutlich, verharren aber noch weitestgehend passiv.
Seit über einem Jahr beherrscht die Corona-Pandemie das Leben in Deutschland. Corona hat das private Leben und auch das berufliche Umfeld fast aller Deutschen gehörig umgekrempelt.[1]
Nur 2 Prozent der ArbeitnehmerInnen merkt auch in der dritten Welle (noch) keinen Wandel der persönlichen Lebensumstände oder sperrt sich emotional gegen diesen. Durchschnittlich empfinden das ArbeitnehmerInnen jedoch eine starke Veränderung: Auf einer Skala von 1 bis 10 ergab sich unter den Befragten in Deutschland ein Durchschnittswert von 6,89.[2]
98 Prozent der Befragten gaben wie in der zweiten und ersten Welle an, ihr Leben habe sich durch Corona verändert. 75 Prozent berichten, ihr Leben habe sich im Vergleich zu vorher stark bis sehr stark verändert.[3]
Im Vergleich zur zweiten Welle nehmen die Befragten die Veränderungen wieder stärker wahr, der prozentuale Wert der Bepunktung mit 10 hat sich von 6 auf 13 Prozent mehr als verdoppelt.Das Tragen einer Maske sowie die Social Distancing-Vorgaben wirken sich aber zunehmend einschneidend auf die gewohnten Lebensumstände der Befragten aus. Eine fehlende Perspektive sowie die aneinandergereihten Lockdown-Phasen lassen keine entspannte New Normal-Stimmung aufkommen. Eine derart lange Phase im Wandel sind die Deutschen nicht gewohnt.
Die Pandemie kommt in Wellen, die Veränderungsbereitschaft der Studienteilnehmenden scheint sich an diesen Trend anzupassen.
In der dritten Pandemie-Welle wollen nur 14 Prozent der Befragten etwas aktiv an ihrer privaten Situation ändern. Noch in der zweiten Pandemie-Phase kündigten mehr als die Hälfte aktive Veränderung im Beruflichen und Privatem an. Ein Viertel waren es in der Anfangszeit.
Der Blick auf die folgenden Studienwerte lässt vermuten, dass bei der Bevölkerung eine zunehmende Erstarrung einsetzt – Änderungen wurden wenn, dann sofort umgesetzt. In der aktuellen Welle sinkt der Veränderungswille zu Lasten der Stimmung und der körperlichen Fitness. Die anfangs erwähnte wellenförmige Bereitschaft, aktiv Veränderungen anzustoßen, zeigt, dass es sich aktuell um ein Wellentief handelt. Diesem könnte eine weitere, vielleicht sogar höhere Wellenamplitude in eine aktivere Richtung folgen. Die nächsten Monate werden es zeigen: Flüchten sich die Befragten in die passive Lethargie oder raffen sie all ihre Kräfte zusammen und packen wieder selbst an?
Die Schattenseiten: traurig, träge und unsportlich durch Corona
Corona schlägt auf das Gemüt und sorgt zunehmend für negative Stimmung. Die Vergleichswerte im Befragungszeitraum verdeutlichen einen kontinuierlichen Anstieg einer trüben Stimmungslage:
Stimmungsänderung durch Corona
Mehr als die Hälfte (54 Prozent) gaben an, ihre Stimmung sei im Vergleich zum Zeitpunkt vor der Pandemie negativer eingestellt (vgl. Abb.). 38 Prozent der Befragten leiden zudem unter konkreten psychischen Beschwerden (vgl. Abb.).
Ein Grund für diese zunehmende Verschlechterung der psychischen Gesundheit der Befragen ist die Einsamkeit. Mehr als die Hälfte (53 Prozent) fühlt sich in der dritten Welle noch einsamer (vgl. Abb.) als in den ersten beiden Befragungszeiträumen. Bei 60 Prozent der ArbeitnehmerInnen ist dies auf den fehlenden Kontakt zu ihren ArbeitskollegInnen zurückzuführen (vgl. Abb.).
Hier deckt die Krise eine Problematik auf, die schon längst in der zunehmend digitalen Gesellschaft im Untergrund rumort:
Folgeerscheinung der Krise:
In Zeiten von Social Distancing zeigen sich echte, tragfähige Freundschaften und Beziehungen und stehen im deutlich sichtbaren Widerspruch zu Verbindungen, die nur oberflächig, vielleicht sogar nur über die sozialen Medien entstanden sind. Ein stabiles soziales Netz verringert Einsamkeitsgefühle auch in Pandemie-Zeiten.
Überraschend dabei ist:
Nicht die Singles und KurzarbeiterInnen fristen ihr einsames Dasein in negativer Stimmung zu Hause, sondern vor allem die Vollzeit-Beschäftigten und Paare.
Unter den besonders einsamen und negativ gestimmten Befragten befinden sich 80 bzw. 79 Prozent Vollzeit-Beschäftigte sowie 65 bzw. 71 Prozent in einer Partnerschaft bzw. einer Ehe lebenden Menschen.
Partnerschaften und Haushalte mit mehreren Personen werden in Pandemie-Zeiten auf die Probe gestellt. Funktioniert die Beziehung auch unter Extrembedingungen oder stellen Paare nun fest, dass sie sich schon lange nichts mehr zu sagen haben?
Statistiken lassen einen traurigen Trend vermuten: 2019 ließen sich 944 mehr Paare scheiden als im Vorjahr und das ganz ohne Pandemie. Die aktuellen Daten 2020 werden noch erhoben und vermutlich einen Aufwärtstrend belegen.[4]
Die negative Stimmung beeinflusst auch die Gesundheit: Die andauernde Corona-Situation wirkt sich auf die körperliche Fitness der Menschen aus. In der ersten und zweiten Welle waren noch 39 Prozent der Befragten sportlicher als zuvor und folgten vermutlich dem durch InfluencerInnen ausgelösten, neuen Sport-Home-Trend. In der dritten Welle bröckelt diese Motivation langsam vergleichbar mit den Neujahrsvorsätzen im Februar.
Außerdem steigt gleichzeitig der Anteil derer, die sich ungesünder ernähren, um 5 Prozent.
Grund für die rückgängige Bewegungsfreude können die ansteigenden körperlichen Beschwerden in Form von Rückenschmerzen, Kopfschmerzen und Schlaflosigkeit sein sowie die zunehmenden psychischen Belastungen (vgl. Abb:):
Körperliche und psychische Folgen der Pandemie:
38 Prozent gaben an, unter körperlichen Beschwerden zu leiden. In der zweiten Pandemie-Welle gaben dies nur 28 Prozent an. Während 33 Prozent der StudienteilnehmerInnen im Oktober mit psychischen Beschwerden kämpfte, sind es in der dritten Welle bereits ebenfalls 38 Prozent.
Ein allgemeines Wohlbefinden setzt eine Balance zwischen ausgeglichenen Ruhe- und Aktivphasen, sportlicher Betätigung und einer ausgewogenen Ernährung voraus. Im Zuge der Pandemie fallen diese Werte zunehmend unter den Homeoffice-Tisch und setzen eine Spirale der Unzufriedenheit in Gang, die sich auf körperlicher und mentaler Ebene niederschlägt.
Quality-Time mit Family & Friends und kreative Höhenflüge: eine goldene Kehrseite der Corona-Medaille?
Neben den Schattenaspekten zeigen sich auch positive Seiten der neuen Lebensumstände.
Prioritätenshift:
51 Prozent der Studienteilnehmenden nutzen die neu gewonnene Zeit für ihre Hobbies (vgl. Abb.). 54 Prozent der Befragten schätzen zudem die Möglichkeiten, mehr Zeit mit ihrer Familie und virtuell auch mit ihren Freunden zu verbringen (vgl. Abb.).
Während diese beiden Werte über alle drei Befragungszeitpunkte nahezu konstant geblieben sind, steigt auf der anderen Seite die Einsamkeit. Gleichzeitig ergeben die Studienergebnisse, dass die Einsamkeit nicht bei den Singles, sondern gerade in Partnerschaften und Familien wächst und deckt damit ein Paradoxon auf.
Ein Office im heimischen Umfeld stellt die Befragten nicht nur vor Herausforderungen, sondern ermöglicht auch konstant kreative Höhenflüge (49 Prozent).
Positive Konsequenzen:
Rund jeder Zweite fühlt sich mit dem Laptop oder PC am heimischen Schreibtisch kreativer, die Konzentration steigt um 5 Prozentpunkte im Vergleich zur ersten Welle (vgl. Abb.). Die Arbeitszufriedenheit im Homeoffice bleibt mit 54 Prozent auf gleichem Niveau (vgl. Abb.). Ebenso wie die selbst angegebene Produktivität mit 56 Prozent (vgl. Abb.).
Nicht überraschend ist, dass sich die Befragten weiterhin entspannt im heimischen Office fühlen. Die zum vorherigen Zeitraum verlorenen 5 Prozentpunkte lassen sich vermutlich auf ergonomische Schwächen in der Ausstattung zurückführen.
Die Zufriedenheit mit der generellen Homeoffice-Situation (wie zuvor beschrieben) steht im Gegensatz zum zunehmenden Unwohlsein der befragten ArbeitnehmerInnen. Die Kluft zwischen denjenigen, die die Situation voll und ganz akzeptieren und denjenigen, die zunehmend leiden, scheint sich im Vergleich zum Beginn der Pandemie zu vergrößern.
Die neu entdeckte Kreativität für tägliche Arbeitsroutinen könnte auch das Privatleben der StudienteilnehmerInnen wieder in Schwung bringen. Noch schaffen die Befragten diesen Transfer jedoch nicht.
2. HOME ODER OFFICE? JEDER ZWEITE WILL IM HOMEOFFICE BLEIBEN
Obwohl Homeoffice seit Beginn von Covid-19 ein Dauerthema in Politik, Medien und Unternehmen ist, spüren die Befragten nach wie vor starke Auswirkungen der Arbeitsplatzverlagerung in ihrem generellen Arbeitsalltag:
Berufliche Belastungen:
68 Prozent der Studienteilnehmenden erleben aktuell eher starke bis sehr starke Auswirkungen auf ihre berufliche Situation bzw. ihren Arbeitsalltag durch die Corona-Pandemie.
Im Oktober waren es mit 65 Prozent etwas weniger und im April 2020 mit 69 Prozent ähnlich viele wie aktuell, die starke Auswirkungen auf ihren Arbeitsalltag und ihre berufliche Situation bezogen spürten. Es ist doch erstaunlich, dass diese Tendenz nach einer leichten Entspannung vor einem halben Jahr nun wieder steigend ist. Es scheint, als gewöhnen sich die Befragten auch nach einer Homeoffice-Testphase (noch) nicht an die Situation. Die Befragten wünschen sich möglicherweise nicht nur Normalität zurück, sondern eventuell auch wieder mehr Konstanten in ihrem (Arbeits-)Leben. Ein stetiger, eigentlich ja normaler Wandel des Umfeldes ist bislang noch nicht bei den struktur- und routineliebenden Deutschen angekommen.
Dabei ist für mehr als die Hälfte der StudienteilnehmerInnen (56 Prozent) die Homeoffice-Situation seit Beginn der Pandemie unverändert. Seit der zweiten Welle sind es 19 Prozent mehr der Befragten, die konstant am heimischen Schreibtisch arbeiten. Die Zahl der schwindenden Büro-Enthusiasten im Vergleich, ist wohl auf die Lockdown-Pause im Oktober 2020 zurückzuführen.
Klare Tendenz für Homeoffice:
13 Prozent der Befragten fahren wieder täglich ins Büro. Die Bereitschaft, den Arbeitsweg in Kauf zu nehmen, ist damit im Vergleich zur zweiten Welle um 11 Prozent gesunken. Leicht gesunken ist auch der prozentuale Anteil an ArbeitnehmerInnen, die drei bis vier Tage ins Büro fahren (von 14 auf 10 Prozent) sowie diejenigen, die ein bis zwei Tage Office-Luft genießen möchten (von 24 auf 21 Prozent)
Betrachtet man die durchschnittliche Zufriedenheit der ArbeitnehmerInnen hinsichtlich ihrer aktuellen Arbeitssituation, sind jene am zufriedensten, die wieder jeden Tag im Office verbringen (7,4). Gefolgt von denjenigen, die ausnahmslos im Homeoffice arbeiten (6,4). Am wenigsten zufrieden sind die Befragten, die Homeoffice und externes Office kombinieren (6,2 bzw. 6,3).
Blickt man hingegen im Detail auf die Stärke der Zufriedenheit, so stellt sich heraus, dass diejenigen, deren Homeoffice-Situation unverändert ist, am wenigsten zufrieden sind (61 Prozent). Je mehr Tage die ArbeitnehmerInnen im Büro verbringen, desto stärker kommt ihre Zufriedenheit zum Ausdruck.
Das heißt folglich:
Am stärksten zufrieden sind jene, die wieder jeden Tag ins Büro gehen (79 Prozent). Und trotzdem will mehr als jeder Zweite (wie bereits im Oktober 2020) im Homeoffice bleiben. Auf diese Entwicklung wird in Kapitel 4 noch gesondert eingegangen.
Produktiv und entspannt im Homeoffice
Ein Homeoffice-Arbeitsplatz verspricht zahlreiche Vorteile in der Theorie. Doch welche schätzen die ArbeitnehmerInnen in der Praxis tatsächlich?
70 Prozent der Befragten gaben an, dass sie stressfreier in den Tag starten. Für 62 Prozent der ArbeitnehmerInnen sei nach wie vor eine bessere Zeiteinteilung möglich.
Verstopfte Straßen und überfüllte Bahnen im Nahverkehr belasten die Befragten offensichtlich stark. Wer sein Meeting in letzter Sekunde erreicht, fühlt sich gestresster. Ein langer, nervenaufreibender Arbeitsweg hat entsprechende Konsequenzen für die Produktivität. Seit der ersten Befragung wird der Tagesstart ungeschlagen als positive Errungenschaft des Homeoffices angegeben. Die Befragten genießen ihre neu gewonnene Freiheit am frühen Morgen. Einig sind sich die Studienteilnehmenden auch über die zweite positive Entwicklung, die bessere Zeiteinteilung. Im Vergleich zur zweiten Welle ist dieser Wert leicht um 4 Prozentpunkte gesunken, gleichzeitig aber nach wie vor 8 Prozent höher als zum Start der Pandemie.
Dieser leichte Rückgang korrespondiert mit der Angabe über die Kinderbetreuung. Im Oktober letzten Jahres schätzten 19 Prozent der Befragten die Betreuung des Nachwuchses als „einfacher“ ein. Aktuell sind es nur noch 16 Prozent. Im April 2020 waren es sogar nur 11 Prozent. Ein Grund für diese schwankenden Einschätzungen sind vermutlich die unterschiedlich geregelten Betreuungsangebote auf Landesebene. Wöchentlich angepasste Kita- und Schulöffnungen erschweren die Planung für Familien und Haushalte mit Kindern. Entsprechend sind ArbeitnehmerInnen nicht nur abhängig von den Vorgaben ihres Unternehmens, sondern auch von den Beschlüssen von Bund und Ländern in Sachen Betreuung.
Große Planungsunsicherheit:
Trotz der großen Planungsunsicherheit balancieren die StudienteilnehmerInnen gekonnt zwischen produktiver Arbeit und Kinderbetreuung zu Hause: 35 Prozent der Befragten geben an, dass ihre Produktivität im Homeoffice höher sei als im Büro. Im Vergleich zur zweiten Welle sind dies 4 Prozent weniger, im Vergleich zum Start der Ausnahmesituation 8 Prozent mehr.
Knapp ein Viertel der Befragten gab an, dass virtuelle Meetings sogar produktiver sind als Meetings im Büro. Ein Drittel der Studienteilnehmenden schätzt es außerdem nach wie vor, keinen ungeliebten KollegInnen über den Weg zu laufen. Beide Werte zahlen auf die generelle Produktivität im Homeoffice ein. Verheiratete oder in einer festen Beziehung lebende StudienteilnehmerInnen geben dabei mit 67 Prozent die höchste Produktivität an. Getreu dem Motto „Never change a winning Team“ scheinen Abläufe im Arbeitsalltag gut aufeinander abgestimmt zu sein, während sich nur jeder dritte Single produktiver im heimischen Office fühlt.
Work-Life-Harmonie läuft aus dem Ruder: Soziale Kontakte und abgegrenzter Privatraum fehlen zunehmend
Die deutschen ArbeitnehmerInnen sind echte TeamworkerInnen und genießen Kontakte im Office. Diese realen Begegnungen mit Gleichgesinnten fehlen seit über einem Jahr im Arbeitsumfeld:
62 Prozent geben das fehlende soziale Miteinander im Büro als negative Erfahrung der Homeoffice-Ära an (vgl. Abb.).
Diverse Studien belegen, dass erfolgreiche Teamkonstellationen neben den fachlichen Qualifikationen auch oder sogar vor allem über zwischenmenschliche Beziehungen funktionieren und wachsen. Diese scheinen in virtuellen Zusammenkünften schlechter zu harmonieren. Insbesondere die Beziehung zwischen Vorgesetzten und MitarbeiterInnen leidet auf virtuellem Weg:
22 Prozent der ArbeitnehmerInnen geben an, dass sich der Kontakt zu ihrem/r Vorgesetzten verschlechtert hat. Das sind 11 Prozent mehr als zu Beginn der Pandemie (vgl. Abb).
Gleichzeitig verschlechtert sich der generelle Zusammenhalt im Team (vgl. Abb.) leicht auf 27 Prozent (26 Prozent waren es noch im Oktober, 18 Prozent vor einem Jahr).
Diese Entwicklung verdeutlicht, wie wichtig aktive Beziehungen auch im Arbeitsumfeld sind. Ein Gespräch auf Augenhöhe, eine nicht durch Störgeräusche oder mangelndes Datenvolumen unterbrochene Konversation mit dem Gegenüber trägt zu einer besseren Arbeitsatmosphäre bei, schafft Vertrauen und Nähe, die durch High-Speed-Datenübertragungen auf der Strecke bleiben.
Ist eine Trennung zwischen Work und Life in 2021 noch zeitgemäß? Die Studienteilnehmenden denken dies zumindest und möchten zwischen privatem und beruflichem Alltag unterscheiden:
Trennung zwischen beruflichem und privatem Leben:
42 Prozent der ArbeitnehmerInnen kritisiert, dass sich ihr privater und beruflicher Alltag zunehmend überlappen. In der ersten Welle waren es nur 36 Prozent. Gleichzeitig geben auch 31 Prozent der Befragten zu, sich weniger motivieren zu können. Über die Hälfte davon (53 Prozent) sind Frauen.
Eine Homeoffice-Tätigkeit erfordert ein hohes Vertrauen seitens des/r Arbeitgebers/in und setzt zudem erhöhtes, eigenverantwortliches Handeln der ArbeitnehmerInnen voraus. Die Studienergebnisse zeigen erste Gründe für die zunehmende Unzufriedenheit auf: Obwohl die Arbeitsproduktivität weiterhin hoch ist, können potenzielle Umgebungsfaktoren ablenken und die Arbeitsleistung somit schmälern.
38 Prozent der Befragten räumen ein, dass sie im Homeoffice potenziell stärker abgelenkt werden können. Auch wenn dieser Wert leicht zur zweiten Welle gesunken ist (40 Prozent), so ist er weiterhin höher als zu Beginn der Pandemie (35 Prozent).
Es überrascht nicht,
dass vor allem Paare (69 Prozent) und Beschäftigte mit mindestens zwei Personen im Haushalt (77 Prozent) besonders abgelenkt sind im Homeoffice. Das Bedürfnis, sich jemandem mitteilen zu wollen zum Beispiel bzgl. eines Erfolgserlebnisses ist in einem Mehrpersonen-Haushalt scheinbar größer. Ganz nach dem Motto: Eigentlich würde man sich vor Ort im Office eventuell kurz einer/m KollegIn mitteilen, zu Hause eben demjenigen/derjenigen, der/die gerade „zur Hand“ ist. Aus einem kurzen kann ein verlängerter Tratsch entstehen, der somit möglicherweise von den eigentlichen To Dos ablenkt.
41 Prozent der Befragten, deren Ablenkungsfaktor hoch ist, lebt mit Kindern im Haushalt, während der Anteil der Kinderlosen nur 36 Prozent beträgt. Unter den ArbeitnehmerInnen, die Schwierigkeiten sehen, sich langfristig zu motivieren, ist es umgekehrt – 36 Prozent leben mit Kindern im Haushalt, 38 Prozent ohne.
Auch wenn die prozentualen Unterschiede bzgl. der langfristigen Motivation nur marginal sind, so lässt sich doch im Vergleich zur Ablenkung festhalten, dass Kinder zwar potenziell zu Ablenkung führen können, aber scheinbar weniger die langfristige Motivation der Beschäftigten im Homeoffice beeinflussen.
Trotz der Möglichkeit der flexibleren Zeiteinteilung im heimischen Office, verschwimmen die Grenzen zwischen Privatem und Beruflichem zunehmend.
Trennung von Privatem und Beruflichem:
Insbesondere Männer (52 Prozent) bemängeln die fehlende Abgrenzung zwischen privatem und beruflichem Alltag. Dieser Kritikfaktor ist in festen Beziehungen mit 71 Prozent am Höchsten. Darunter sind es vor allem die Paare mit Kindern im Haushalt (38 Prozent), denen eine Trennung der beiden Bereiche schwerer fällt, im Gegensatz zu kinderlosen Paaren (29 Prozent).
Offenbar wünschen sich Männer wieder mehr Freiraum für Zweisamkeit. Ihnen ist auch ein Privatleben fernab von Laptop und Handy mit der Familie wichtig. Singles hingegen (egal ob Mann oder Frau) ziehen diese klaren Grenzen deutlich weniger. Für nur 29 Prozent der befragten Singles ist die fehlende Trennung der Lebensbereiche ein Störfaktor.
Interne Prozessentwicklung:
28 Prozent der StudienteilnehmerInnen konstatieren, dass Prozesse aufgrund der Homeoffice-Situation länger dauern. Verzögerte Projekte können gleichermaßen eine Veränderung der Arbeitszeiten oder gar eine Verlängerung dieser zur Folge haben. Ständige Verfügbarkeit via digitaler Möglichkeiten und mobiler Devices lassen das klassische 9-to-5 Arbeiten in der Praxis nicht mehr zu.
Eine interessante Beobachtung ist hierbei, dass sowohl im April als auch im Oktober 2020 24 Prozent der ArbeitnehmerInnen die Dauer von Prozessen für länger befand. Im Gegensatz dazu spüren 24 Prozent der Beschäftigten eine Beschleunigung von Prozessen. Hier waren es zu Beginn der Befragung nur 22 Prozent der Befragten, während der Anteil im Oktober 2020 und aktuell gleichbleibend bei 24 Prozent liegt. Möglicherweise zeichnet sich hier der Trend ab, dass ein gewisses Maß an Optimierung von Prozessen ausgeschöpft ist und damit nun entweder stagniert oder eventuell sogar an Fahrt verliert.
Es sind zudem vor allem die großen Konzerne (250 und mehr MitarbeiterInnen), bei denen die Studienteilnehmenden den Eindruck haben, dass die Prozesse sowohl länger dauern (47 Prozent) als auch beschleunigt werden (46 Prozent).
Die Ergebnisse aus der dritten Befragungsrunde zeigen eine Lücke zwischen der gewünschten und gelebten Arbeitsrealität auf: Einerseits möchte mehr als jeder Zweite Homeoffice-Optionen nutzen. Gleichzeitig vermissen die Beschäftigen zwischenmenschliche Beziehungen und haben den Eindruck, dass Prozesse mit Fortschreiten der Homeoffice-Situation länger dauern. Ein Umdenken bei den Firmen und den neu geschaffenen, flexibleren Möglichkeiten des Arbeitens, kann jedoch nur mit einem ebenso flexiblen Mindset bei den ArbeitnehmerInnen sowie einem kontinuierlichen Drang der Unternehmen, nicht auf der Stelle zu treten, langfristig zu beiderseitiger Zufriedenheit führen.
3. Loyaler Überlebenskampf statt Innovation
Mehr oder weniger von einem Tag auf den anderen hieß es: Homeoffice und Video-Konferenz statt Büro und Face-to-face-Meeting.
Während Homeoffice vor der Pandemie noch ein beliebtes Goodie für ausgewählte ArbeitnehmerInnen war, so ist das heimische Office heute ein fester Bestandteil des New Normal der Arbeitswelt. Kein Wunder also, dass auch BewerberInnen bei Stellenausschreibungen mittlerweile verstärkt auf Homeoffice-Optionen achten.
Digitalisierung? 10 Points! Schmeichelnde Noten für Unternehmen
Mit der Verlagerung des Berufslebens der ArbeitnehmerInnen an den heimischen Schreibtisch kam auch die Umstellung des gewohnt (oft noch analogen) Arbeitsalltags auf digitale Kanäle. Offenbar ist es den meisten Unternehmen von Anfang an gelungen, die Arbeitsprozesse gut bis sehr gut auf digitale Kanäle umzuleiten. Die MitarbeiterInnen waren und sind während aller drei Befragungszeitpunkte (sehr) zufrieden mit der digitalen Transformation ihrer Unternehmen.
Zufriedenheit mit digitaler Umstellung:
Auffällig ist bei der dritten Befragungsrunde, dass im Vergleich zur ersten und zweiten Welle (67 bzw. 68 Prozent) über 80 Prozent der Befragten mit der Umstellung ihres Unternehmens auf digitale Kanäle seit Beginn der Pandemie zufrieden bis sehr zufrieden sind. Eine Steigerung um gut 10 Prozent.
Worin liegt der Grund für diese guten Noten? Nach einem Jahr können die ArbeitnehmerInnen auf Vergleichswerte zu FreundInnen oder KollegInnen aus anderen Unternehmen zurückgreifen. Im Austausch schneidet das eigene Unternehmen eventuell noch besser ab als noch im letzten Jahr.
Klar ist:
Die Studienteilnehmenden, die am zufriedensten hinsichtlich der Umstellung auf digitale Kanäle sind, stammen fast zur Hälfte (47 Prozent) aus großen Unternehmen mit 250 und mehr MitarbeiterInnen. Hier liegt die Vermutung nahe, dass die großen Player bereits vor der Pandemie digitale Strukturen etabliert hatten und diese im Gegensatz zu kleineren Betrieben lediglich ausbauen mussten.
Zum Aspekt der Digitalisierung der Unternehmen passt, dass nur noch ein Fünftel der ArbeitnehmerInnen die digitale Infrastruktur der eigenen vier Wände sowie den Zugriff auf firmeninterne Daten mittels Server als herausfordernd bewertet. Vor einem bzw. einem halben Jahr war es noch rund ein Drittel der Befragten. Es scheint, als hätten sich die meisten ArbeitnehmerInnen zu Hause eingependelt. (vgl. Abb).
Von der Kaffee-Küche und offiziellen Town-Hall-Meetings in die digitalen Räume: Auch die interne Kommunikation digitalisiert sich zunehmend.
Während im Oktober 2020 aufgrund der erneut bevorstehenden Lockdown-Situation möglicherweise Unsicherheit bei den ArbeitnehmerInnen herrschte, litt offenbar zeitgleich die interne Kommunikation auf digitalem Wege. 30 Prozent sahen darin eine Herausforderung – also 5 Prozent mehr als noch zu Beginn der Pandemie.
Trotz aktuell ähnlicher Situation sehen die Beschäftigten im März 2021 hierin weniger Herausforderung bei den Unternehmen (24 Prozent). Vielen ArbeitgeberInnen ist es mit ihrer internen Kommunikation möglicherweise gelungen, Transparenz in entscheidende Prozesse zu bringen und so die Zustimmung der MitarbeiterInnen zu gewinnen.
Erleichterung durch Prozessoptimierung:
Gemeinhin kann hier festgehalten werden, dass fast alle Prozesse, die mit einer Digitalisierung oder Umstrukturierung von Prozessen im Unternehmen zusammenhängen, im Verlauf insgesamt als weniger herausfordernd von den StudienteilnehmerInnen bewertet werden.
Diejenigen, die auch nach einem Jahr noch deutliche Hürden in ihren Unternehmen wahrnehmen, arbeiten interessanterweise zum Großteil ebenfalls in großen Betrieben mit 250 und mehr MitarbeiterInnen.
Das ist paradox.
Denn wie oben bereits erwähnt sind es gleichzeitig die ArbeitnehmerInnen, welche die besten Noten bzgl. Digitalisierung an ihre Unternehmen verteilen.
Woher könnte diese Entwicklung rühren? Zum einen ist in großen Unternehmen sehr wahrscheinlich nicht erst seit Beginn der Pandemie eine digitale Infrastruktur vorhanden. Schließlich muss hier in regelmäßigen Abständen weltweit kommuniziert werden und das geht nicht immer Face-to-face; allein schon aus Kosten- und noch mehr aus Umweltaspekten. Daher fand in großen Unternehmen in dem Sinne keine Umstellung auf digitale Kanäle statt, sondern vielmehr ein Ausbau, der vorangetrieben wurde.[7]
Möglich ist ebenso, dass viele ArbeitnehmerInnen nicht damit gerechnet haben, ihr Unternehmen würde die digitalen Kanäle so reibungslos einsetzen. Soviel zur guten Bewertung.
Konzerne sind jedoch nicht nur für ihre Internationalität bekannt, sondern auch für ihre Hierarchien. Entscheidungen und Beschlüsse brauchen oft ihre Zeit bis alle Verantwortlichen zugestimmt haben. Bis zur Umsetzung kann weitere wertvolle Zeit verstreichen. Das heißt: Wenn schnelle Entscheidungen getroffen werden müssen bzw. sollen (wie eben zum Beispiel während einer weltweiten Pandemie), so können starke Hierarchien verbunden mit der großen Anzahl an MitarbeiterInnen, die alle „zufriedengestellt“ werden wollen, im Wege stehen.
Es könnte somit der Fall eintreten, dass nicht alle ArbeitnehmerInnen die neuen, digitalen Prozesse und strategische Ausrichtungen und Umstrukturierungen zeitgleich mitbekommen und spüren. Denn obwohl die Umstellung bzw. Umstrukturierung auf digitale Kanäle gut funktioniert hat, muss dies nicht automatisch bedeuten, dass die MitarbeiterInnen auch in der Lage sind, diese Tools effizient und erfolgreich zu nutzen.
Zu Umstrukturierung passt Innovation.
Ein Fünftel der ArbeitnehmerInnen wünschte sich Innovation während der zweiten Welle (vgl. Abb.). In der dritten Welle macht der Innovationsenthusiasmus Platz für den Wunsch nach wirtschaftlichem Fortbestehen, der dadurch stärker in den Mittelpunkt rückt.
Im Vergleich zum April 2020 (18 Prozent) sieht über ein Drittel (32 Prozent) der Studienteilnehmenden darin die größte Herausforderung für ihr Unternehmen.
Ein Fünftel der ArbeitnehmerInnen, die um das wirtschaftliche Fortbestehen ihres Unternehmens fürchten, arbeitet in sehr kleinen Betrieben mit nur einem bis neun MitarbeiterInnen. Bei dieser Betriebsgröße kann vermutet werden, dass weniger die Digitalisierung von Prozessen noch die Weiterbildung der ArbeitnehmerInnen eine Hauptrolle spielen. Vielmehr liegt wohlmöglich der Fokus der wenigen MitarbeiterInnen darauf, ausreichend Aufträge an Land zu ziehen, damit das Kleinunternehmen fortbestehen kann.
Eng verbunden mit dem wirtschaftlichen Fortbestehen eines Unternehmens ist das Erhalten von Arbeitsplätzen. Im Vergleich zum Beginn der Pandemie wird diese Herausforderung zwar als weniger akut wahrgenommen, als „Platz 2“ unter den möglichen Herausforderungen ist sie bei über einem Drittel (34 Prozent) aber immer noch präsent.
Als größte Herausforderung für Unternehmen sehen 36 Prozent der StudienteilnehmerInnen aktuell die Arbeitsmoral und die Motivation der MitarbeiterInnen:
Diese Aussage überrascht, da über die Hälfte der ArbeitnehmerInnen angibt, im Homeoffice unter anderem produktiver, schneller und konzentrierter zu sein. Möglicherweise muss man diese Einschätzung der Motivation und Arbeitsmoral auf die Zukunft beziehen.
Denn: Im Verlauf und aktuell können die Beschäftigten in den eigenen vier Wänden mehr leisten. Sollte die Situation aber andauern, befürchten eventuell einige (eben diese 36 Prozent), dass sie auf lange Sicht nicht konstant abliefern können. Trotz Produktivitäts- und Konzentrationshoch könnte es demnach auch sein, dass die Studienteilnehmenden einen langfristigen Motivationsschub benötigen, der dem wirtschaftlichen Einbruch des Unternehmens entgegenwirkt und auf den Wunsch nach Zukunftsfähigkeit und Fortbestand einzahlt. Im April 2020 sahen nur 32 Prozent hierin eine Herausforderung für Unternehmen.
Als geringste Hürde ...
... für Unternehmen sehen die Befragten in der aktuellen Situation den Aspekt der Loyalität (14 Prozent).
Über 70 Prozent der ArbeitnehmerInnen geben an, dass sich sowohl während der zweiten als auch aktuell während der dritten Welle, ihre Loyalität zum Unternehmen seit Beginn der Pandemie nicht verändert habe.
Safety first – Weiterbildung schlägt Jobwechsel
Interessant ist, dass der Anteil der Männer in der Gruppe der Befragten, die loyaler sind als vor der Pandemie im Vergleich zur zweiten Welle, um 8 Prozent gesunken ist. Dazu passt auch die Tatsache, dass der Anteil der Männer in der Gruppe der weniger Loyalen (wenn auch nur um 3 Prozent) gestiegen ist. Die Loyalität der Frauen hat sich im Vergleich zur zweiten Welle kaum verändert.
Eng verbunden mit der Loyalität zu einem Unternehmen ist mitunter das Gefühl von Sicherheit – vor allem in wirtschaftlich unsicheren Zeiten ein wichtiger Aspekt für viele ArbeitnehmerInnen.
So ist es wenig verwunderlich,
dass knapp 80 Prozent der Befragten sowohl während der zweiten Welle als auch aktuell, weder ihr Aufgabengebiet verändert noch ihren Job gewechselt haben (vgl. Abb.).
Wenig überraschend in diesem Zusammenhang:
Die Tatsache, dass knapp die Hälfte der Frauen jedoch nur jeder vierte Mann angibt, keine Online-Angebote während der Corona-Krise zu nutzen. Hier zeigt sich scheinbar die viel diskutierte Doppelbelastung der Frauen durch Kinderbetreuung und Homeoffice. Männer hingegen neigen im Homeoffice eher zu Überstunden als zur Erfüllung häuslicher Aufgaben.[9] Möglicherweise investieren sie diese in sinnvolle Weiterbildungsmaßnahmen.
Spitzenreiter Homeoffice: vom Goodie zu Everybodys Darling
Online-Weiterbildungen am heimischen Schreibtisch sind nur ein Beispiel für die Möglichkeit der flexiblen Zeiteinteilung im Homeoffice.
Homeoffice wird akzeptiert:
Über die Hälfte der ArbeitnehmerInnen (52 Prozent) gibt an, dass sich eine flexible Arbeitszeiteinteilung schon jetzt spürbar in der Arbeitskultur ihrer Unternehmen etabliert hat. Identisch zur zweiten Welle sind 60 Prozent der Meinung, dass Homeoffice eine höhere Akzeptanz genießt als noch vor der Pandemie.
Mit seinen vielen Vorteilen für ArbeitnehmerInnen aber auch für Unternehmen ist Homeoffice langfristig aus keiner Arbeitskultur mehr wegzudenken. Auch wenn die Befragten im Vergleich zur zweiten Welle einen kleinen Vertrauensverlust ihrer Vorgesetzten spüren und ein Fünftel konstant die schlechten Absprachen mit KollegInnen und 13 Prozent die Entfremdung zum Unternehmen bemängelt (vgl. Abb.), so ist doch eines klar: Das Homeoffice ist gekommen um zu bleiben.
Im Hinblick auf die niedrigere Zufriedenheit möglicherweise nicht als Dauerzustand praktikabel, aber doch als Teil einer Hybridlösung zu sehen, die jedem/r Mitarbeiter/in in Zukunft als eine der Variationen des mobilen Arbeitens zur Verfügung stehen sollte.
Wie bereits im Kontext der Digitalisierung erwähnt, sind es vor allem die großen Unternehmen, die sich besonders gut bei der Umstrukturierung auf digitale Kanäle geschlagen haben. Die Unternehmen geben den meisten ArbeitnehmerInnen ein Gefühl von Sicherheit und bieten ihnen die Möglichkeit, sich beruflich weiterzuentwickeln – und das auch im Homeoffice.[10]
Die MitarbeiterInnen „danken“ es mit Loyalität in Krisenzeiten, wenn auch der eigene Arbeitsplatz mitunter in der Schwebe liegt.
Die meisten der Befragten arbeiten in großen Unternehmen, was mit einem Anteil von 36 Prozent bei der Herausforderung neue Produkte und Märkte zu erschließen, deutlich wird.
Spannend ist dennoch:
Über ein Fünftel machen in der Kategorie „neue Produkte und Märkte erschliessen“ die kleinsten Unternehmen (1-9 MitarbeiterInnen) aus.
Nicht nur für die Konzerne, sondern auch für kleine Unternehmen ist es wohl eine Herausforderung der Zukunft, neue Produkte und Märkte zu erschließen, um für künftige Krisen breiter aufgestellt zu sein. Unternehmen mit nur wenigen MitarbeiterInnen sind möglicherweise bisher nur auf bestimmte Bereiche spezialisiert. Bricht eine dieser Kategorien aufgrund einer Ausnahmesituation wie der jetzigen von heute auf morgen weg, so können eben vor allem kleine Unternehmen ihr Standbein verlieren.
4. Die Welt nach Corona - Ernüchterung statt Euphorie
Heimisches Office wird die Krise überdauern
Im April 2020 dachten immerhin schon 41 Prozent der Befragten, dass es auch nach der Pandemie mehr Möglichkeit zu Homeoffice geben wird. Während der zweiten Welle und aktuell ist es eine deutliche Mehrheit der ArbeitnehmerInnen: 61 Prozent glauben, dass der heimische Schreibtisch die Corona-Krise ein Dauerbrenner bleiben. Einmal und mittlerweile seit gut einem Jahr auf den Geschmack gekommen, wollen viele Beschäftigte die klaren Vorzüge des heimischen Office nicht mehr missen.
Gleichzeitig wird aber auch das Thema Flexibilität groß geschrieben. Laut Einschätzung der StudienteilnehmerInnen hat sich eine gewisse Freiheit in der Arbeitszeiteinteilung in einigen Unternehmen bereits in der Arbeitskultur etabliert. Dazu passt, dass mittlerweile über die Hälfte (55 Prozent) der Befragten davon ausgeht, dass ein flexibler Wechsel zwischen Büro und Homeoffice die Krise überdauern wird. Weitere 43 Prozent erwarten, dass virtuelle Meetings und Calls zur Normalität und persönliche Treffen dadurch zu einer Besonderheit werden. Zudem glauben ebenfalls 43 Prozent, dass Dienstreisen größtenteils durch virtuelle Zusammenkünfte ersetzt werden.
Im Hinblick auf den Klimawandel, die zeitgleich zweite weltweite Krise, ist diese Einschätzung einerseits zu begrüßen. Denn: Weniger Dienstreisen und Face-to-face-KundenInnentermine (die zum Großteil wohl nicht CO2-neutral abgewickelt werden können) verkleinern den CO2-Fußabdruck für die Unternehmen und sparen bares Geld. Flüge, Verpflegungspauschalen und weiterer Business-Schnick-Schnack fiele weg.
Andererseits: Obwohl viele sich nach sozialem Kontakt, nicht nur in Form von gemütlichen, ungezwungenen Abenden mit FreundInnen, sondern auch im Office sehnen, denken rund 10 Prozent der Beschäftigten mehr als noch zu Beginn der Krise, dass weniger geschäftlich-persönlicher Kontakt die Pandemie überdauern wird.
Für die Zukunft wird wohl eine gesunde Mischung aus Face-to-face-Meetings und Video-Calls und -Konferenzen die Lösung sein. Denn das Händeschütteln bzw. der mittlerweile etablierte Ellbogen-Check können ein nettes Winken in die Webcam manchmal einfach nicht ersetzen.
Digitalisierung setzt sich durch
Mit 37 Prozent glaubt mehr als jeder Dritte, dass es auch nach der Pandemie, digitale Veranstaltungen wie Workshops, Konferenzen, Coffee-Breaks, Lunch-Parties geben wird. (vgl. Abb.)
New Normal statt Back to Normal
Gleichauf mit der flexiblen Zeiteinteilung, die für mehr als ein Drittel der Befragten (36 Prozent) die Corona-Krise überdauern wird, sind digitale Weiterbildungsangebote wie Webinare. War zu Zeiten vor der Pandemie im oft stressigen Büro-Alltag keine Luft für etwaige Fort- und Weiterbildungen, so hat sich die Einstellung der ArbeitnehmerInnen dazu im Laufe des letzten Jahres deutlich gewandelt. Denn durch die freie Zeitenteilung können die Beschäftigten quasi oftmals in Eigenregie entscheiden, wann und wo sie sich weiterbilden. Webinare zu bestimmten Themen werden oft zu verschiedenen Terminen angeboten, wodurch ArbeitnehmerInnen nicht nur zeit-, sondern eben auch ortsunabhängig agieren können.
Besonders interessant: Glaubten zum Anfang der Pandemie noch 15 Prozent „Es wird sich nichts langfristig ändern“, so denken das seit der zweiten Befragung mit 7 Prozent nur noch halb so viele. Den meisten Studienteilnehmenden ist also mittlerweile klar: Es gibt kein Back to Normal, nur ein New Normal.
Im Vergleich zur ersten Befragungswelle im April 2020 stellen wir über alle Antwortmöglichkeiten hinweg teilweise zweistellige Steigerungsraten fest. Die Befragten glauben, dass die Zeit nach der Corona-Pandemie ihre Arbeitsweise flexibler, digitaler sowie orts- und zeitunabhängiger sein wird – wobei physische Treffen und Dienstreisen zur Ausnahme werden.
Ambivalent:
59 Prozent begrüssen neue implementierte Maßnahmen im Arbeitsalltag und gleichzeitig sehnen sich 53 Prozent nach der gewohnten Normalität vor der Corona-Krise. (vgl. Abb.)
Ein Drittel (33 Prozent) der Befragten befürchtet allerdings auch, dass es bald wieder zu den alten Regeln zurückgeht und keine Neuerungen übernommen werden. Gleichzeitig stimmen ganze 53 Prozent der Aussage zu „Ich bin froh, wenn ich in meinem Arbeitsalltag wieder zur gewohnten Normalität von vor der Corona-Krise übergehen kann“.
Das ist verwunderlich. Denn: 59 Prozent stimmen im selben Fragenkomplex der Aussage zu, dass sie sich freuen würden, wenn die durch die Corona-Krise neu implementierten Maßnahmen im Arbeitsalltag weiterhin Bestand haben.
Das verdeutlicht die gespaltenen Gefühle und innere Zerrissenheit vieler im Homeoffice. Auf der einen Seite genießen sie die Vorteile von freier Zeiteinteilung, flexibler Arbeitsweise und eventuell mehr Freizeit durch den Wegfall des Arbeitsweges. Und auf der anderen Seite fehlt die soziale Interaktion, gewohnte Rituale im Büro, der kurze Austausch in der Kaffeeküche und das damit aufkommende Teamgefühl.
Zwiegespalten:
Wollten vor sechs Monaten über der Hälfte der Befragten sich privat verändern, wollen es jetzt nur noch 14 Prozent. (vgl. Abb.)
Eine bemerkenswerte Wellenbewegung hingegen macht die Antwort auf die Frage, ob die ArbeitnehmerInnen nach der Pandemie etwas in ihrem Leben verändern möchten. Am Anfang der Pandemie war es noch jeder Vierte, der etwas im Privaten verändern wollte. Vor sechs Monaten gab es eine regelrechte Aufbruchsstimmung und mehr als jeder Zweite (57 Prozent) wollte etwas in seinem privaten Umfeld verändern. Aktuell ist es nur noch jeder Siebte (14 Prozent).
Entweder die Veränderungen wurden in den letzten sechs Monaten schon vollzogen oder die Menschen haben sich mit ihrer aktuellen Situation arrangiert. Ähnlich verhält es sich auch bei der Frage nach der beruflichen Situation. Wollte vor sechs Monaten ebenfalls noch mehr als jeder Zweite (51 Prozent) etwas an seiner beruflichen Situation ändern, ist es heute nur noch jeder Dritte mit 32 Prozent der Befragten.
Fast unverändert zur Befragung in der zweiten Welle wird die Frage nach dem Wunsch zum Homeoffice beantwortet. Obwohl sich in der dritten Welle der Befragung viele Menschen einsamer und isolierter als vorher fühlen und die Zufriedenheit im Homeoffice am geringsten ist, würden sich 55 Prozent und damit mehr als die Hälfte, wenn sie sich zwischen „für immer Büro“ oder „für immer Homeoffice“ entscheiden müssten, das Homeoffice wählen.
Auf der anderen Seite sind es 45 Prozent, die sich für immer für das Büro entscheiden würden. Mit einer knappen Mehrheit von 52 Prozent sind es die Frauen, die ihren Arbeitsalltag eher für immer im Büro verbringen würden. Das ist interessant, da vor allem die Männer vermehrt eine klare Trennung zwischen Arbeits- und Privatleben wünschen.
Spannend:
Sowohl bei den Befragten, die für immer ins Homeoffice gehen als auch bei denen, die das Büro vorziehen würden, ist der Anteil derer, die in einer Ehe oder Partnerschaft leben genau gleich, nämlich jeweils 69 Prozent.
Wie im ersten Kapitel beschrieben, ist es vor allem diese Personengruppe, die sich besonders einsam fühlt. Das heißt: Auch hier wird die tiefe Gespaltenheit zwischen den Auswirkungen der Isolation und dem Genuss der Vorteile der aktuellen Homeoffice-Situation deutlich.
Bei Haushalten mit bzw. ohne Kindern zeichnet sich ein ähnliches Bild: Unter den „für immer Homeoffice“-Verfechtern leben 60 Prozent mit Kindern im Haushalt, bei den „für immer Büro“-Verfechtern sind es 65 Prozent.
Das Büro bevorzugen also gleichzeitig eher Frauen und eher Menschen mit Kindern im Haushalt. Da Frauen wohl eher mit Kinderbetreuung beschäftigt sind als Männer, könnte man an dieser Stelle vermuten, dass Frauen auf Dauer Büro und Kinderbetreuung getrennt halten wollen. Das überrascht, denn wie bereits oben erwähnt, sind es eher die Männer, denen eine Trennung beider Welten schwerer fällt.
Die Frage nach den Auswirkungen der Corona-Pandemie in den kommenden Monaten wird ebenfalls ambivalent gesehen. Auf einer Skala von 1 (gar nicht) bis 10 (sehr stark) wurde gefragt, wie sich die Corona-Pandemie vermutlich auf die berufliche und private Situation auswirken wird.
Jeder fünfte Befragte (19 Prozent) erwartet wenig bis gar keine Auswirkungen auf die berufliche Situation. Privat sind es sogar 31 Prozent, die dies ebenso einschätzen. Jeweils gut ein Drittel der Befragten erwartet sowohl privat (31 Prozent) als auch beruflich (35 Prozent) weder positive noch negative Auswirkungen. Der jeweils größte Anteil mit 46 Prozent beruflich und 39 Prozent privat geht davon aus, dass es eher starke bis sehr starke Auswirkungen geben wird.
Das ist interessant, denn der Änderungswille (beruflich und privat) ist bei den ArbeitnehmerInnen, wie zuvor beschrieben, im Gegensatz zur zweiten Befragung deutlich abgeklungen (vgl. Abb.). Dieses Ergebnis lässt vermuten, dass trotz vermindertem Änderungswillen der ArbeitnehmerInnen im beruflichen sowie privaten Bereich, weiter Auswirkungen erwartet werden – ganz im Sinne einer Wellenbewegung.
5. Meta-Analyse
Ein Jahr Corona-Pandemie. Ein Jahr Lockdown. Und damit für viele Beschäftigte ein Jahr Homeoffice. Was macht das mit unserer Gesellschaft und welchen Einfluss hat diese Pandemie-Lockdown-Homeoffice-Situation auf unser Arbeitsleben, auf unser Privatleben und auf unser Gemüt? Im März 2021 jährte sich der Corona-Lockdown in Deutschland zum ersten Mal.
Vor einem Jahr stellte sich unser aller Leben auf den Kopf. Wir tragen Alltagsmasken, begrüßen uns mit den Ellbogen und haben die Zahl unserer sozialen Kontakte sowohl privat als auch Homeoffice bedingt auf ein Minimales reduziert. Schulen und Kitas wurden geschlossen, Home-Schooling und Home-Babysitting war und ist angesagt. Viele ArbeitnehmerInnen verweilen in Kurzarbeit oder haben sich mit Homeoffice und gleichzeitiger Kinderbetreuung arrangiert.
Die Corona-Lockdown-Homeoffice-Situation geht weder an ArbeitnehmerInnen noch an ArbeitgeberInnen spurlos vorüber.
Soll heißen: Mit dem Monat März haben sich nicht nur diverse Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie gejährt. Auch zahlreiche Umfragen und Studien rund um die Themen Corona und Homeoffice schießen seitdem wie Pilze aus dem Boden. Die Ergebnisse geben spannende Einblicke in die Veränderungen der Arbeitswelt aus Sicht der ArbeitnehmerInnen und auch aus Sicht der Unternehmen.
Beim Vergleich aktueller Studien wird deutlich, dass sich die Einschätzungen und Wünsche sowie Zukunftsvisionen von ArbeitgeberInnen und ArbeitnehmerInnen zum Teil deutlich unterscheiden.
Insgesamt haben wir elf Studien zum Thema Corona und Homeoffice verglichen. Die Studien, welche aus Sicht der ArbeitnehmerInnen formuliert sind, überwiegen deutlich (acht Studien) die der ArbeitgeberInnen (drei Studien).
A whole new (Office-)World
Die Mehrheit der Firmen will zurück zur Präsenzpflicht. Zurückzuführen ist diese Erkenntnis auf die doch überraschenden Ergebnisse des Personalpanels des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW). Denn hieraus geht hervor, dass nur wenige Unternehmen in den kommenden zwölf Monaten ihre Büroflächen reduzieren wollen (6,4 Prozent). Und wenn, dann sind es eher die großen Firmen (ab 250 Beschäftigen), die eine Reduzierung anstreben.
Neue Office-Gestaltung statt Reduzierung von Büroflächen
Tatsächlich ist es so, dass 17 Prozent der Unternehmen statt einer Reduzierung der Büroflächen eher auf eine umfassende Umgestaltung der Räumlichkeiten setzen, um mehr Platz für Kommunikation und Austausch zu schaffen. Mit einem Anteil von über 40 Prozent unter den Befragten sind es vor allem wieder die großen Firmen, die schon konkrete Pläne haben.
Diese Vorsätze gehen auch mit dem Ergebnis einher, dass zwei Drittel der befragten Firmen nicht vorhaben, nach der Corona-Krise mehr Homeoffice zu ermöglichen als vorher.[11]
Neue Geschäftsmodelle müssen her – Es gibt kein „Back to Normal“
Einen ganz neuen Blickwinkel auf das Thema Homeoffice bringt eine Studie von Price Waterhouse Coopers (PWC) für Großbritannien. Hier geht es nicht um die Auswirkungen auf ArbeitnehmerInnen, sondern um die Folgen des Homeoffice für die gesamte Wertschöpfungskette und entsprechende Ökosysteme von Unternehmen. Dazu zählen zum Beispiel Gastronomiebetriebe, VermieterInnen oder Reinigungsunternehmen. In Großbritannien fallen rund 80 Prozent des BIP auf den Dienstleistungssektor. Das heißt durch vermehrtes Homeoffice in Zukunft könnten rund 250.000 Vollzeitstellen aus diesem Sektor wegfallen.
Eine solche Entwicklung sei durchaus auch in Deutschland denkbar. Für Philipp Wackerbeck, Partner bei PWC Strategy Deutschland, ist daher klar, dass Unternehmen sich anpassen und nicht geduldig auf eine Rückkehr in die „Normalität“ warten sollten. Neue Arbeits- und Geschäftsmodelle seien für viele Branchen und die daran anknüpfenden Ökosysteme relevant und es sollten Strategien erarbeitet werden, um sich auf eine neue Normalität ausrichten zu können.[12]
Die Zukunft ist hybrid
Ein deutlich anderes Bild der zukünftigen Arbeitswelt zeichnet eine Umfrage von t3n aus dem Januar 2021. Das Tech-Magazin hat die 30 größten Dax-Unternehmen gefragt, in welche Richtung sich ihr zukünftiges Arbeitsmodell entwickeln wird: Homeoffice, Präsenzbetrieb oder Hybridmodell? Es zeigt sich, dass mobiles Arbeiten vor der Corona-Krise eher die Ausnahme war, mittlerweile ist es aufgrund der Situation für viele Büroangestellte verpflichtend.
Viele der Firmen konnten bei der Umstellung auf mobiles Arbeiten bereits auf Praxiserfahrungen aus der Vergangenheit zurückgreifen. Der Grund: Verantwortliche in den Unternehmen setzen sich teilweise schon seit Jahren für einen flexiblen Wechsel zwischen Home und Office ein. Das Arbeiten von Zuhause ist in den größten Dax-Unternehmen also nicht wirklich ein neues Phänomen, sondern in gewisser Weise bereits business as usual. Aber womit planen diese Unternehmen nun in Zukunft?
Flexibler Wechsel zwischen Home und Office im Einklang mit Familie und Beruf
Laut t3n werde die Heimarbeit kaum auf ein ausschließliches, sondern eher auf ein teilweises Konzept hinauslaufen. So rechnen einige Unternehmen nach der Pandemie zwar mit einer verstärkten Homeoffice-Nutzung, erwarten jedoch auch, dass viele ArbeitnehmerInnen flexibel zwischen Büro und Homeoffice switchen werden. Allerdings werde keinesfalls eine bestimmte Homeoffice-Quote angestrebt, sondern vielmehr sei es ein wünschenswertes Ziel, eine Arbeitsatmosphäre zu schaffen, welche die Vereinbarkeit von Familie und Beruf in Einklang bringt und in der Mitarbeitende ihr Potential bestmöglich ausschöpfen können.[13]
Doppelbelastung und schwimmende Grenzen
Wenn das Home zum Office wird, ist die logische Folge, dass die Grenzen zwischen Arbeits- und Privatleben immer mehr zu verblassen scheinen. Das muss nicht unbedingt bei allen ArbeitnehmerInnen der Fall sein. Doch eine Studie der Technischen Universität Chemnitz in Zusammenarbeit mit der Techniker Krankenkasse kommt zu dem Ergebnis, dass für 60 Prozent der Befragten die Grenzen zwischen Arbeits- und Privatleben verschwimmen.
Vor allem Frauen leiden unter der Doppelbelastung
27 Prozent davon empfinden diese Tatsache sogar als Belastung.[14] „Über einen längeren Zeitraum betrachtet, fällt auf, dass sich besonders berufstätige Frauen im Homeoffice mit kleinen Kindern von der Doppelbelastung erschöpft fühlen. Die Belastung nahm nochmal auffällig in den Phasen von besonders starken Corona-Einschränkungen zu, zum Beispiel als Schulen und Kitas geschlossen waren. Insgesamt sind Frauen deutlich stärker belastet und von Burnout betroffen als Männer", betont der Studienleiter Professor Dr. Bertolt Meyer von der TU Chemnitz.[15]
Mentale Entgrenzung durch mobiles Arbeiten
Damit einher gehen Erkenntnisse aus dem „DGB-Index Gute Arbeit 2020“ des Deutschen Gewerkschaftsbundes. Denn über ein Drittel (35 Prozent) der befragten Beschäftigten kann auch in ihrer Freizeit „sehr häufig“ oder „oft“ gedanklich nicht richtig abschalten. Besonders ausgeprägt sei dieses Problem bei ArbeitnehmerInnen, die an öffentlichen Orten ihre Arbeit erledigen (59 Prozent). An zweiter Stelle als Ort der mentalen Entgrenzung folgt das Homeoffice (46 Prozent).[16]
Dazu passt, dass ein Viertel aller Befragten häufig Schwierigkeiten hat, Arbeit und Privatleben in Einklang zu bringen. Und obwohl das Arbeiten von Zuhause oft als Erleichterung empfunden wird, macht es in dieser Umfrage ein Drittel aus, weshalb sich private Interessen und Arbeit zeitlich „oft“ oder „sehr häufig“ nur schwer vereinbaren lassen.[17]
Grundsätzlich: bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf
Lediglich in der Umfrage von Bitkom Research im Auftrag des Digitalverbands Bitkom bemerken sechs von zehn ArbeitnehmerInnen eine generell bessere Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben.[18]
Produktiv? Kommt drauf an!
Eine Studie des Fraunhofer IAO, die im Rahmen des Verbundforschungsprojekts OFFICE 21 durchgeführt wurde, zeigt außerdem, dass Personen mit zusätzlichen Betreuungsaufgaben weniger produktiv sind im Homeoffice und deutlich häufiger außerhalb der geregelten Arbeitszeiten arbeiten.[19] Wie oben im Kontext der Doppelbelastung bereits erwähnt, sind es vor allem Frauen bzw. Mütter, die Zuhause mehr Sorgearbeit leisten. Männer bzw. Väter tendieren im Homeoffice eher zu Überstunden, nicht aber zu intensiverer Kinderbetreuung.[20]
Home ist gleich tendenziell mehr Produktivität
Grundsätzlich können die meisten ArbeitnehmerInnen aber nach eigener Einschätzung sowohl im Büro als auch in den eigenen vier Wänden ähnlich produktiv arbeiten.[21] Eine Umfrage der Uni Konstanz ergab, dass die Produktivität der Beschäftigten im Homeoffice sogar in die Höhe ging, mit ihr aber auch eine Tendenz zur Mehrarbeit und damit einhergehender Erschöpfung deutlich wird.
Bei der Bitkom-Studie gibt immerhin ein Drittel an, dass ihre Produktivität im Vergleich zur Büroarbeit konstant ist. Jeder Vierte derselben Befragung schätzt seine Produktivität im Homeoffice deutlich höher ein, jeder Dritte etwas höher.[22]
Höhere Konzentration bei Einzelarbeit im Homeoffice
Denn bei der Produktivität kommt es gar nicht so sehr auf den Ort der Tätigkeit an, sondern vielmehr auf die Art der zu erledigenden Aufgaben. So sei konzentrierte Einzelarbeit wie beispielsweise das Verfassen eines Textes am heimischen Schreibtisch besser und zügiger zu lösen als vor Ort im Büro.
Diese Tatsache ist nicht nur eine wichtige für den Stellenwert des Homeoffice, sondern auch für die Zukunft des Büros. Denn sie weist auf einen konkreten Mangel an Möglichkeiten zur Konzentration im Büro hin. „Hier gibt es also einen konkreten Handlungsbedarf“, sagt Milena Bockstahler, Wissenschaftlerin am Fraunhofer IAO.[23]
Konstante Motivation als Herausforderung im Homeoffice
Dass Homeoffice kein Selbstläufer ist, macht eine Verlaufsgrafik des Frauenhofer IAO deutlich. In den ersten Homeoffice-Wochen stiegen die Erfolgsfaktoren Produktivität und Kreativität an, bleiben dann auf relativ gleichem Niveau und nehmen im zeitlichen Verlauf schließlich konstant wieder ab. Das Frauenhofer IAO kommt somit zu dem logischen Schluss, dass die langfristige Erhaltung der Erfolgsfaktoren im Homeoffice noch Verbesserungspotential aufweist.[24]
Soziales Dilemma aber weniger Stress
Ein Grund für die auf lange Sicht fehlende Kreativität im Homeoffice liegt wahrscheinlich bei den meisten ArbeitnehmerInnen an fehlenden sozialen Kontakten vor Ort im Büro. Gemeinsam im Team mit KollegInnen neue Ideen zu entwickeln und sich gegenseitig zu inspirieren ist eben doch etwas anderes als Zuhause alleine zu brainstormen. Sicherlich hilft es bei gewissen Projekten sich den nötigen Freiraum für Kreativität zu nehmen.
Sozialer Kontakt ist essenziell für kreatives Arbeiten
Doch eine Studie der Uni Konstanz hat ergeben, dass Beschäftigte an der Präsenzarbeit besonders den persönlichen Austausch mit KollegInnen schätzen (62 Prozent) und ihn zentral halten für kreatives Arbeiten (40 Prozent).[25] Laut der Studie des Digitalverbands Bitkom beklagt mehr als die Hälfte der ArbeitnehmerInnen den reduzierten Kontakt zu den KollegInnen, für jeden Fünften stellt auch der verringerte Kontakt mit Vorgesetzten ein Problem dar.[26]
Höhere Arbeitszufriedenheit durch gesünderen Lebensstill und wegfallende Arbeitswege
Während in der Bitkom-Studie einerseits der Großteil der Beschäftigten sich nach sozialer Nähe sehnt, ist die Arbeitszufriedenheit im Homeoffice für immerhin 20 Prozent der Befragten deutlich höher und für jeden Vierten etwas höher. Die Ursachen für dieses Empfinden liegen wohl zum einen in der Möglichkeit, Zuhause einen gesundheitsbewussteren Lebensstil zu führen und zum anderen an der Tatsache der wegfallenden Arbeitswege. Denn acht von zehn Beschäftigen geben an, dadurch weniger Stress zu empfinden.[27]
Beschäftigte wollen mindestens zwei Tage Homeoffice
26 Prozent der ArbeitnehmerInnen wünschen sich außerdem generell zwei Tage Homeoffice pro Woche. Jeder Fünfte könnte sich sogar eine Fünf-Tage-Woche im Homeoffice vorstellen.[28]
Neben der Uni Konstanz ergab auch eine Yougov-Umfrage im Mai 2020, dass viele ArbeitnehmerInnen dem mobilen Arbeiten eher positiv gegenüberstehen. So wünschen sich drei Viertel (75 Prozent) der Deutschen, auch unabhängig von Corona, flexibel von Zuhause aus arbeiten zu können.[29]
Der zuvor bereits erwähnte „DGB-Index Gute Arbeit 2020“ des Deutschen Gewerkschaftsbundes untersuchte nicht nur das mobile Arbeiten im Sinne von Homeoffice. Denn streng genommen ist Homeoffice nur eine Variante des mobilen Arbeitens. Neben Homeoffice zählten hier auch öffentliche Orte, wechselnde Unternehmensstandorte, Dienst- und Geschäftsreisen sowie KundInnenbesuche hinzu. Die Ergebnisse zeigen, dass mehr als ein Drittel (36 Prozent) der Befragten mittlerweile mobil arbeitet, viele davon im Homeoffice (18 Prozent).[30] Ein Viertel der Beschäftigten (27 Prozent) praktiziert nur eine Form des mobilen Arbeitens, während die Tätigkeit der restlichen Befragten sich durch die Kombination mindestens zweier Arten des mobilen Arbeitens charakterisiert. Interessant hierbei: Homeoffice ist immer ein Teil der Kombination.[31]
Gamechanger mobiles Arbeiten
Die Menschen wollen Homeoffice. Die einen mehr, die anderen weniger. Während bei früheren Stellenausschreibungen die Möglichkeit zum mobilen Arbeiten eher als gönnerhaftes Goodie gesehen wurde, achten Arbeitssuchende mittlerweile stark auf Homeoffice-Optionen bei Unternehmen. Bei der Studie der Uni Konstanz geben 54 Prozent der Befragten an dies zu tun.
Doppelt so viele Männer wie Frauen arbeiten mobil
Wenig überraschend ist, dass fast doppelt so viele Männer wie Frauen mobil arbeiten. Besonders stark ausgeprägt sind die Unterschiede, wenn es um KundInnenbesuche geht. Hier mache sich unter anderem bemerkbar, dass diese mobile Form überdurchschnittlich häufig bei Beschäftigten in Handwerks- und Bauberufen vorkomme, die einen sehr hohen Männeranteil aufweisen.[32]
Homeoffice-Trend geht weiter
Gleichwohl ob Männer oder Frauen, dürfte Homeoffice als die aktuell präsenteste Form des mobilen Arbeitens künftig eine größere Rolle in der Arbeitswelt spielen. Auch 71 Prozent der Befragten der Studie der Hans Böckler Stiftung rechnen in Zukunft mit einer weiteren Verbreitung des Homeoffice.[33]
6. Fazit
Mit Blick auf die verschiedenen Studienergebnisse und -herangehensweisen können wir feststellen, dass es die eine Lösung für die perfekte Arbeitsform nicht geben wird.
Klar ist:
Die Arbeitswelt hat sich seit letztem Jahr schon deutlich verändert.
Klar ist auch: Die Arbeitswelt wird sich auch noch ein ganzes Stück verändern (müssen).
Viele Unternehmen, vor allem die großen unter ihnen, haben sich schon vor der Pandemie in verschiedenen flexiblen Arbeitsformen versucht und möchten diese über die Krise hinaus beibehalten und weiter ausbauen. Aus den Befragungen der Unternehmen geht allerdings auch deutlich hervor, dass keine Homeoffice-Quote angestrebt wird, sondern vielmehr das Schaffen einer optimalen Arbeitsumgebung – sei es nun Homeoffice oder vor Ort im Büro. Vor allem große Firmen planen statt der Reduzierung von Büroräumen eher mit einer Umgestaltung derselben.
Die Studien aus ArbeitnehmerInnensicht gehen alle in eine ähnliche Richtung. Die Beschäftigten wollen Homeoffice nicht nur als „Zuckerl“, sondern als festen Bestandteil ihres Arbeitsalltags. Schon bei der Bewerbung achten viele auf eine Homeoffice-Option. Weniger Stress durch wegfallende Arbeitswege, die Möglichkeit eines gesünderen Lebensstils oder eine höhere Produktivität sind nur ein Teil der Vorteile, die ArbeitnehmerInnen bisher im Homeoffice ausgemacht haben.
Neben den Vorteilen sehen viele Beschäftigte auch ganz klar die Nachteile bzw. Einschränkungen. Einer großen Mehrheit fehlt der soziale Kontakt zu den KollegInnen vor Ort im Büro. Einige sehen es sogar als Muss kreativen Arbeitens, sich mit KollegInnen auszutauschen. Es ist also durchaus von der jeweiligen Tätigkeit abhängig, ob man Zuhause oder im Büro produktiver, kreativer, konzentrierter arbeitet.
Geht man vom aktuellen Infektionsgeschehen aus, so zeigt eine Studie der Universität Mannheim, dass schon ein Prozent mehr ArbeitnehmerInnen im Homeoffice eine Verringerung der Infektionsrate um bis zu acht Prozent bedeuten kann: mehr Homeoffice gleich geringeres Infektionsgeschehen.[34]
Und obwohl über die Hälfte der Befragten bei der dritten Befragungsrunde der AVANTGARDE Experts Corona-Studie für immer ins Homeoffice gehen würden (wenn sie sich entscheiden müssten), so wird sich die Zukunft der Arbeitswelt doch hybrid gestalten.
Kernaussagen der Studien im Überblick:
Im nun folgenden Fazit zeigen wir auf, inwiefern die Kernaussagen aus der Meta-Analyse ausgewählter Studien zum Thema Corona und Homeoffice mit unseren analysierten und interpretierten Ergebnisse der dritten und letzten Befragungsrunde der Verlaufsstudie „Arbeiten in Corona-Zeiten“ von AVANTGARDE Experts bestätigt oder widerlegt werden können.
Fazit
Ein Jahr Corona und langsam ist durch das zügige Voranschreiten von Impfungen zumindest ein wenig Licht am Ende des Pandemie-Tunnels zu erkennen. Seit unserer ersten Befragung im April 2020 stellten sich sowohl die ArbeitnehmerInnen als auch die ArbeitgeberInnen etlichen teilweise nie dagewesenen Herausforderungen. Viele Hürden wurden easy gemeistert. Für ihre Umstrukturierung auf digitale Kanäle bekamen die Unternehmen durchweg sehr gute Noten. Doch ein Jahr Pandemie verändert die deutsche Arbeitskultur und zeigt Missstände bei jedem Einzelnen deutlich auf:
Ein Jahr Lockdown-Auf-und-Ab zerrt am Gemüt der Menschen, beeinträchtigt sowohl den beruflichen als auch den privaten Alltag und wirkt sich auch ohne Corona-Infektion auf Körper und Geist aus.
Der Negativ-Trend – die Befragten sind verstimmt und lethargisch zugleich – lässt aufhorchen. Während viele im Oktober 2020 noch eine gehörige Portion Innovationsgeist an den Tag legten und dies auch von ihren ArbeitgeberInnen erwarteten, geht es aktuell eher um die Überlebensfähigkeit von Unternehmen. Gerade kleine Firmen kämpfen mit Neustrukturierungen, um weiter wirtschaftlich bestehen zu können. Die Meta-Analyse zeigt, dass für ein New Normal neben optimierter Office-Gestaltung auch neue Geschäftsmodelle her müssen.
Was die Stimmung der ArbeitnehmerInnen angeht, scheint es, als erleben wir aktuell einen Flashback zum Beginn der Pandemie. Während im Oktober 2020 viele die Krise noch als flüchtiges Phänomen, das sich bald von selbst in Luft auflösen würde, wahrnahmen, so spüren die Menschen die Veränderungen im Zuge der Pandemie aktuell ähnlich stark wie im April 2020.
Die Homeoffice-Situation mit ihrer Isolation vor KollegInnen und der zunehmenden Verschmelzung von Home und Office macht den ArbeitnehmerInnen – auch laut Meta-Analyse – weiter zu schaffen. Entgegen der Ergebnisse in der Meta-Analyse sind es in der vorliegenden Umfrage eher die Männer, die mit der mentalen Entgrenzung zwischen Arbeits- und Privatleben zu kämpfen haben.
Ein Paradoxon, denn: Trotz steigender Belastung für Körper und Geist, weniger gesunder Ernährung sowie zunehmender Einsamkeit, würde trotzdem über die Hälfte der Befragten für immer im Homeoffice bleiben wollen, anstatt einem Arbeitsalltag vor Ort im Büro nachzugehen. Etwaige Studien bestätigen diesen Trend, vor allem auch im Hinblick auf den Dauerpluspunkt des Homeoffices: die wegfallenden Arbeitswege. Möglicherweise überwiegen für die meisten ArbeitnehmerInnen schlicht und ergreifend die positiven Aspekte ihrer Homeoffice-Situation. In puncto Kreativität zeigen die Studien der Meta-Analyse, dass für kreative Arbeitsabläufe der soziale Kontakt notwendig ist.
Die vorliegende Befragung zeigt: Deutlich über die Hälfte sind produktiver, zufriedener, entspannter, konzentrierter, schneller und gleichbleibend kreativ. Auch diese positive Entwicklung bestätigt die Meta-Analyse. Allerdings gibt diese und auch die aktuell vorliegende Studie von AVANTGARDE Experts zu bedenken, dass die Arbeitsmoral und Motivation der MitarbeiterInnen langfristig zur Herausforderung werden können.
Deutlich wird: Die StudienteilnehmerInnen wünschen sich Flexibilität von Unternehmensseite. Getreu dem Motto: Bleibt alles anders – sollte eine Trennung von Arbeit und Privatleben auch im Homeoffice stattfinden. In der Meta-Analyse wird ebenfalls deutlich, dass ein flexibler Wechsel zwischen Home und Office möglich sein soll, aber auf jeden Fall im Einklang mit Familie und Beruf. Woran dies mittlerweile bei einigen scheitert, ist unklar. Offensichtlich schaffen die Befragten die Transferleistung zwischen beiden Lebensbereichen nicht komplett zufriedenstellend.
Zeichnet sich ein langsam steigendes Stimmungshoch ab? Möchte man der deutlichen Wellenbewegung unserer Verlaufsstudie Glauben schenken, so müssten die ArbeitnehmerInnen demnächst langsam aus ihrem lethargischen Zustand erwachen und wieder beherzt das eigene Leben aktiv in die Hand nehmen.
Studienzusammenfassung als PDF
Soziodemografische Daten
Quellen und Literatur
Fußnoten
[1] Anmerkung: In der gesamten Studienzusammenfassung wird „*“ in den Fußnoten der Schaubilder für die Zusatzinformation „Mehrfachantworten möglich“ genutzt und „**“ für Zusatzinformationen bzgl. nicht abgefragter Werte bzw. abweichen-de Fragestellungen.
[2] Die Befragten sollten auf einer Skala von 1 bis 10 einschätzen, wie stark sich ihr Leben durch die Corona-Pandemie verändert hatte. 1 entsprach dabei „gar nicht“, 2-5 „wenig bis mittel“ und 6-10 „stark bis sehr stark“.
[3] Zur besseren Lesbarkeit wurden Prozentwerte auf ganze Zahlen gerundet. Bei der Summierung der Teilergebnisse kann es dadurch in Einzelfällen zur Abweichung von 100 Prozent kommen.
[4] Unterhalt.net: Scheidungsstatistik - Statistik zur Eheschließung und Schei-dung, Link (Stand: 04.05.2021)
[5] Statistisches Bundesamt: Erwerbstätige, die von zu Hause aus arbeiten, Link (Stand: 27.04.2021)
[6] Statista: Anteil der im Homeoffice arbeitenden Beschäftigten in Deutschland vor und während der Corona-Pandemie 2020 und 2021, Link (Stand: 27.04.2021)
[7] t3n: Homeoffice, Präsenz oder Hybrid? So arbeiten die Dax-30 nach Corona weiter, Link (Stand: 19.03.21)
[8] KOFA: Weiterbildung während der Corona-Pandemie, Link (Stand: 27.04.2021)
[9] Hans Böckler Stiftung: Studien zu Homeoffice und mobiler Arbeit, Link (Stand: 19.03.21)
[10] KOFA: Weiterbildung während der Corona-Pandemie, Link (Stand: 27.04.2021)
[11] Oliver Stettes / Michael Voigtländer: IW-Kurzbericht 06/2021: Büroflächenabbau bleibt die Ausnahme, Link
[12] Sieben, Peter: Homeoffice führt laut Studie zu Milliardenschäden, Link
[13] t3n: Homeoffice, Präsenz oder Hybrid? So arbeiten die Dax-30 nach Corona weiter, Link (Stand: 19.03.21)
[14] Techniker Krankenkasse: Homeoffice: Fließende Grenzen zwischen Arbeit und Privatleben belasten (Stand: 19.03.21)
[15] Techniker Krankenkasse: Homeoffice: Fließende Grenzen zwischen Arbeit und Privatleben belasten (Stand: 19.03.21)
[16] DGB-Index Gute Arbeit 2020: Report 2020: Mehr als Homeoffice – Mobile Arbeit in Deutschland, Link (S.14)
[17] DGB-Index Gute Arbeit 2020: Report 2020: Mehr als Homeoffice – Mobile Arbeit in Deutschland, Link (S.15)
[18] Digitalverband Bitkom: Mehr als 10 Millionen arbeiten ausschließlich im Home-office, Link (Stand: 19.03.21)
[19] Frauenhofer IAO: Homeoffice Experience: Prognosen für unsere zukünftige Arbeitswelt, Link (Stand: 19.03.21)
[20] Hans Böckler Stiftung: Studien zu Homeoffice und mobiler Arbeit, Link (Stand: 19.03.21)
[21] Frauenhofer IAO: Homeoffice Experience: Prognosen für unsere zukünftige Arbeitswelt, Link (Stand: 19.03.21)
[22] Digitalverband Bitkom: Mehr als 10 Millionen arbeiten ausschließlich im Homeoffice, Link (Stand: 19.03.21)
[23] Frauenhofer IAO: Homeoffice Experience: Prognosen für unsere zukünftige Arbeitswelt, Link (Stand: 19.03.21)
[24] Frauenhofer IAO: Homeoffice Experience: Prognosen für unsere zukünftige Arbeitswelt, Link (Stand: 19.03.21)
[25] Kunze Florian / Hampel Kilian / Zimmermann Sophia: Homeoffice in der Corona-Krise – eine nachhaltige Transformation der Arbeitswelt, Link (Stand: 19.03.21)
[26] Digitalverband Bitkom: Mehr als 10 Millionen arbeiten ausschließlich im Homeoffice, Link (Stand: 19.03.21)
[27] Digitalverband Bitkom: Mehr als 10 Millionen arbeiten ausschließlich im Homeoffice, Link (Stand: 19.03.21)
[28] Kunze Florian / Hampel Kilian / Zimmermann Sophia: Homeoffice in der Corona-Krise – eine nachhaltige Transformation der Arbeitswelt, Link (Stand: 19.03.21)
[29] Ingenieur.de: Homeoffice führt laut Studie zu Milliardenschäden, Link
[30] DGB-Index Gute Arbeit 2020: Report 2020: Mehr als Homeoffice – Mobile Arbeit in Deutschland, Link (S.4)
[31] DGB-Index Gute Arbeit 2020: Report 2020: Mehr als Homeoffice – Mobile Arbeit in Deutschland, Link (S.5)
[32] DGB-Index Gute Arbeit 2020: Report 2020: Mehr als Homeoffice – Mobile Arbeit in Deutschland, Link (S.6)
[33] Hans Böckler Stiftung: Studien zu Homeoffice und mobiler Arbeit, Link (Stand: 19.03.21)
[34] Herz, Felix: Corona-Studie mit erschreckenden Zahlen: Homeoffice-Potenzial verschenkt?, Link
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